Studium

Stefan Strumbel – Künstler

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Stefan Strumbel – Künstler

Stefan Strumbel ist wohl einer der erfolgreichsten Künstler aus Offenburg. Er setzt sich mit dem Thema „Heimat“ auseinander, hinterfragt den Begriff und hat damit den Nerv vieler Menschen getroffen. Für die neue Mensa gewann Strumbel den Wettbewerb für „Kunst am Bau“. Im Interview spricht er über sich, seine Kunst und die Hochschule  Offenburg.

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Graffitis waren dein Sprungbrett zur Kunst. Offenburg ist doch eine eher „gut bürgerliche“ Stadt, in der jede Wand weißgebügelt aussieht. Wie kommt man da dazu, Hauswände anzusprayen?
Damals kam gerade die Hip-Hop-Welle nach Deutschland. Man sah bemalte Züge, Städte die besprüht waren – urban gestaltet. Das war zu dieser Zeit im Offenburger Stadtbild null der Fall. Und das hat mich natürlich inspiriert. Somit habe ich mich mit Graffiti beschäftigt und dann hier Anfang der Neunziger angefangen, mein Umfeld zu gestalten. Mein Revier zu markieren und meine eigene geografische Heimat so zu gestalten, wie ich will. Das graue Offenburg und den grauen Alltag habe ich so etwas bunter gemacht. Als Sprüher kämpft man eigentlich mit seiner Heimat und gestaltet diese so, dass man sich wohlfühlt. Und so kam ich dann auch zu dem Thema Heimat.

Was hat dich dazu bewegt, dich mit Kunst zu beschäftigen?
Ich hatte einen Onkel der leider verstorben ist und den ich persönlich gar nicht kennengelernt habe. Aber seine Bilder hingen bei meiner Oma in Karlsruhe. Er malte sehr radikale Bilder. Mit sehr starken Brüchen. Und die haben mich schon immer inspiriert. Das zweite Ding war 1986, als die Bambiverleihung in Offenburg war. Da wurden von Burda großformatige Sprühbilder gemacht. Ich bin mit meiner Mutter vorbeigefahren und wir haben die Graffitis gesehen, wo ich dachte „Wow“. Was so ‘ne Farbe ausmacht in einer Stadt, kannte mein Auge bis dahin nicht. Wir kannten hier nur die Fachwerkhäuser und das idyllische Offenburg und auf einmal kommt da so eine 200 m lange, bunte Wand. Das hat mich total gekickt.

Deine Kunst ist mittlerweile unglaublich erfolgreich. Man könnte daraus schließen, dass du deine Kunst so gestaltet hast, damit sie den Leuten gefällt. Stimmt das?
Also vor 10, 12 Jahren, als ich die Heimat-Frage gestellt habe, war ich einer der Ersten, der sich in Deutschland mit dem braun besetzten Thema auseinandergesetzt hat. Und da gabs auch richtig Ärger. Da gings rund in der Presse. Da waren alle gegen mich und keiner hat sich getraut, das Wort Heimat in den Mund zu nehmen. Irgendwann hat sich dann alles gelöst, als dann die Ritterschläge durch bekannte Sammler, die große Presse wie die New York Times, kamen. Aus braun wurde pink. Durch unsere schnelllebige Zeit und imaginäre Freundschaften bei Facebook stellt sich, glaube ich, jeder die Frage, was Heimat für ihn bedeutet. Wo sind meine Wurzeln? Vermutlich ist das schonmal der größte Teil, warum das Heimatthema so „akzeptiert“ wurde. Mittlerweile ist in meiner Kunst ein starker Bruch entstanden. Ich habe ja total die Farbe rausgenommen und verwende anderes Material. Jetzt gehe ich wieder in den öffentlichen Raum und in die Richtung einer universellen Bildsprache, die nicht mehr auf den Schwarzwald reduziert wird.

Mittlerweile hast du ja auch schon eine Kirche in dem kleinen Dorf Goldscheuer gestaltet. Hat das einen besonderen Hintergrund, warum du diese Aufgabe übernommen hast?
Kirche inspiriert mich. Nicht der Glaube der Kirche, sondern die Kirche an sich. Die Kirchenschiffe. Die Power der Kunst dort hat mich schon immer überwältigt und inspiriert. Man nimmt zwei Äste, legt die übereinander und hat ein Kreuz. Das hat eine Symbolkraft. Dieses Gefühl, wenn das Licht durch ein Kirchenfenster fällt, ist für mich pure Inspiration. Der Pfarrer, der die Gemeinde Kehl leitet, wusste schon immer, dass ich mal gerne was in einer Kirche machen wollte. Als es dann hieß, dass die Kirche abgerissen werden soll, hab ich mir überlegt, wie ich das  Kirchenschiff durch meine Kunst retten kann. Für mich war der Erfolg daran, dass ich es geschafft habe, dass Leute immer wieder dorthin zurückkehren und so einen Ort, eine Heimat finden, wo sie ihren Glauben leben können. Das ist dann eine Installation, die funktioniert. Das Retten, dieser Schutz vor Abriss, war das Kunstprojekt für mich. Nun eine Frage, die dir wahrscheinlich schon oft gestellt wurde.

Wie schafft man es, dauerhaft kreativ zu sein?
Ich selbst schaffe das auch nicht. Was heißt eigentlich dauerhaft kreativ sein? Ich frage mich das selbst immer wieder. Ideen kommen ja in den skurrilsten Momenten. Das kann zum Beispiel beim Zähne putzen sein. Ich glaube, wichtig ist einfach, dass man auf seinen Bauch hört und immer dran bleibt. Der Gedanke, zu versuchen, das letzte Werk immer zu toppen, ist wichtig. Das zu machen, was man machen will, was einen glücklich macht. Nicht das, was der Markt verlangt oder was gerade hip ist. Und dann glaube ich, läufts.

Es gibt viele Kampagnen die mit #Heimat laufen. Heimat ist Trend. Hat dich dieser Trend ein Stück weit beeinflusst, deine Kunst zu verändern?
Das Thema Heimat war damals eine wichtige Nummer, um dieses ganze Klischee zu entstauben. Mittlerweile gibt es allerdings viele Trittbrettfahrer, die das Thema Heimat zu oberflächlich behandeln. Das sind oft nur Copy Paste-Gedanken. Denn Heimat ist ja weltweit, gerade jetzt mit dem Refugees-Thema.Was ist für die gerade Heimat?
Wir müssen da jetzt eine universelle Heimat-Bildsprache verwenden. Überall existiert Heimat, jeder Mensch sehnt sich morgens nach diesem Gefühl der Geborgenheit, der Liebe und des Glückes. Nicht nur wir hier im Schwarzwald. Wenn ich merke, dass etwas super funktioniert, gehe ich lieber in eine andere Richtung und verändere mich nochmal. Deswegen habe ich die Farbe komplett rausgenommen und arbeite jetzt auch mit Material, das nicht so schnell ersetzbar ist. Das auch Generationen überlebt. Und dass die Leute dann später noch über dich und deine Kunst sprechen und sich mit deinem Thema auseinandersetzen. Damals habe ich das Klischee der Heimat als  Transportmittel benutzt um die Frage zu stellen „What the fuck is Heimat?“
Was bedeutet denn fürdich Heimat?
Heimat ist für mich immer noch das Gefühl. Der Liebe, Freude, Geborgenheit, des Glücks. Es ist nicht an einen Ort gebunden und auch für kein Geld der Welt zu kaufen. Ich habe es auch noch nicht geschafft, ein Werk zu kreieren, mit dem ich das Gefühl von Heimat erzeugen kann. Sonst wär`s das Letzte, glaube ich. Es gibt auch kein Rezept das ich hab‘, weil wenn ich eins hätte, würde ich versuchen, die ganze Welt zu beglücken. Wir sollten endlich versuchen, dieses Gefühl gemeinsam zu zelebrieren.

Was hältst du eigentlichen von Kunst am Bau?
Ich finde das schön, dass man über Kunst am Bau die Möglichkeit hat, Skulpturen zu realisieren,  die 24 Stunden begehbar sind. Mich fasziniert das, weil das Schönste für mich ist, wenn ein Kunstwerk in der Öffentlichkeit steht. Mit deiner Kunst triffst du so einen Fächer der Gesellschaft – von Obdachlosen oder Kindern auf dem Schulweg – die vielleicht nicht die Möglichkeit haben, in eine Galerie oder in ein Museum zu gehen. Es ist da ganz egal, welchen Bildungskoffer der Betrachter hat. Und das finde ich faszinierend. Ich bin auch durch die Straße zur Kunst gekommen, was mein Leben beeinflusst. Die besten Gespräche hatte ich mit Obdachlosen. Und das ist doch das Schönste.

Was für einen Bezug hat deine Skulptur, die an zwei an einer Kuckucksuhr hängende Tannenzapfen erinnert, zu unserer Hochschule?
Das Thema der Arbeit war ja „Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen“. Die Skulptur symbolisiert eine imaginäre und überdimensionale Lebensuhr. Die Kuckucksuhr verschwindet und man sieht nur die Gewichte. Deswegen Vorstellungskraft. Die Uhrzeit – die wohl beste Erfindung schlechthin bis jetzt – passt auch zur Technik. Der Ausschlag für die Skulptur war ja die Mensa. Deshalb die Kuckucksuhr, die hier in der Region so oft bei Oma in der Küche hängt. Die Zapfen sollen die Motivation ausstrahlen, diese aufzuziehen. Nachdem man in der Mensa gespeist hat, sollte man sich die Zeit bewusst einteilen, aber natürlich auch die Lebenszeit genießen. Diese ganzen Dinge  passen natürlich zu dem Gebäude. Ich habe gehofft, dass die Skulptur einmal bei so einem Kunst am Bau gewinnt und es war natürlich – gerade in Offenburg – eine Ehre für mich und ich freue mich immer wenn ich da durchfahre und sie sehe.

Hast du schon Arbeiten der Studenten der HS Offenburg gesehen oder kamst damit in Kontakt?
Ja, als ich letztens da war, war ich ganz fasziniert. Ich hab Bilder in einer Ausstellung, durch Studenten gemalt, gesehen, die unten im Flur hängen. Was auch ‘ne super Geschichte ist, sind die Shorts. Über die kriege ich auch immer wieder was mit. Generell finde ich, was ich so bisher von der Hochschule gesehen habe, sehr eindrucksvoll. Ich kann nur sagen, dass die Offenburger Hochschule sich nicht verstecken muss. Die Studenten könnten ruhig noch ein bisschen lauter sein.

Stell dir vor du bist 18 und hättest die Möglichkeit mgp zu studieren. Würdest du dich dafür oder dagegen entscheiden?
Damals hätte ich vermutlich Kunst studiert. Weil ohne Studium ist das schon schwierig, das kann ich sagen. Ich würde jedem empfehlen noch einen Studiengang zu machen. Da habe ich auf jeden Fall auch was verpasst in meinem Leben, dass ich mich da nicht früher ausgebildet hab.

Würdest du sagen, die Hochschule hat eine Art „Ruf“? Und wenn ja, welchen?
Ja, auf jeden Fall! Wenn es um Ausrüstung geht höre ich immer, dass ihr die beste Schule seid. Überall wo ich bin und wenn es gerade um Film geht, fragen die immer, ob ich mit der Hochschule Offenburg arbeite. Ich glaub ihr seid das Hollywood hier in der Gegend, was die Ausrüstung betrifft. Aber ich komme ja nicht aus dem Metier. Und mit Leuten von der Hochschule Offenburg hatte ich auch schon super Erfahrungen. Ich finde es ganz toll, was ihr da abliefert und könnt.

Hast du, so zum Abschluss, noch ein paar weise Worte für uns, die zukünftigen Medienschaffenden?
Gerade nach so einem Studium in Offenburg meint man oft, man muss in die Großstadt gehen. Aber ich sag immer, dass ich es schön fände, wenn die Leute mal weniger Angst hätten hier zu bleiben. Und als Arbeitsort und Standort die Region hier wählen. Von hier aus kann man überall in die Welt gehen, um dort die Hemden zu zerknittern. Und dann wieder zurückkommen und hier zu bügeln.

Quelle

Numinos (Sommersemester 2016)