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Aus KI wird KM – Wie iZotope`s künstliche Intelligenz einen künstlerischen Mix erstellt

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Aus KI wird KM – Wie iZotope`s künstliche Intelligenz einen künstlerischen Mix erstellt

Komponieren und durch den Mix spazieren. Dies ist ein Traum, den schon viele Musiker*innen hatten. Doch leider werden die kreativen Genies nur allzu oft mit der technischen Realität konfrontiert. Eine unglaubliche Revolution wäre es daher, wenn dieser Traum in Erfüllung gehen würde. Aber das wäre doch zu schön um wahr zu sein, oder?

“Während das Auge sucht und Beute macht, lauscht das Ohr auf das, was uns erbeutet. Das Ohr ist das Organ der Angst.”

Mirjam Schaub (Medienphilosophin)

Wenn wir uns diese Worte der Medienphilosophin Mirjam Schaub vergegenwärtigen, wird uns die Wichtigkeit der Harmonie bewusst. Dieses “Organ der Angst” schläft nie, selbst dann nicht, wenn wir ruhen. Unsere Augen können wir schließen, aber das Ohr ist immer auf Empfang. Es ist also nur logisch, dass wir Menschen uns nach wohlklingenden Klängen sehnen und wir aus einer intrinsischen Motivation heraus, einem oder mehreren Instrumenten viele Jahre lang unsere Leidenschaft schenken. Umso ernüchternder ist es, wenn diese Leidenschaft auf die technischen Herausforderungen einer Aufnahme trifft und die wohlklingende Melodie, der mitreißende Rhythmus und der groovige Bass plötzlich nur noch nach Matsch klingen. Damit der/die Musiker*in seiner Kreativität freien Lauf lassen kann, hat er/sie zwei Möglichkeiten: entweder er/sie lernt über Jahre hinweg das Handwerk des Mixing und Mastering oder er/sie bezahlt jemanden, der dies bereits getan hat, und sich das mit steigender Leistung und Qualität auch so bezahlen lässt.

Dieser Problematik ist sich auch das Unternehmen iZotope bewusst und hat dafür eine Reihe an Plugins produziert, welche mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet sind. Diese Tools sollen laut iZotope dafür sorgen, dass sich “Musiker, Musikproduzenten und Tontechniker auf ihr Handwerk konzentrieren können und nicht auf die Technologie dahinter”. In diesem Artikel werden wir daher einen Blick auf die Plugins werfen und herausfinden, ob dies nur leere Versprechen sind, oder ob sie die Gefahr für unser Ohr gezügelt bekommen.

Was ist Mixing?

Wer beim Autofahren schon einmal den Radiosender gewechselt hat, ist mit dem schrecklichen Geräusch vertraut, welches zwischen den Sendern kreischt. Dieses Geräusch wird weißes Rauschen genannt und hat die Eigenschaft, dass alle zur Verfügung stehenden Frequenzen bei gleicher Amplitude (Lautstärke) gespielt werden. Die meisten Menschen wollen jedoch lieber sorgfältig ausgewählte Frequenzen an ihr Ohr heranlassen. Dies ist die Kernaufgabe des Mixings: gezielt die Frequenzen durchkommen zu lassen, welche durchkommen sollten, und diejenigen zu verstummen, welche nicht dorthin gehören. Zusätzlich werden auch die ganzen Klänge zu einem homogenen Gesamtwerk geformt und so eine Symbiose zwischen den Instrumenten kreiert. 

Was ist Mastering?

Das Mastering erfolgt nach dem Mixing. Nachdem alle einzelnen Elemente aufeinander abgestimmt sind geht es nun darum, das Gesamtwerk in seiner vollen Blüte zu präsentieren. Dies bedeutet, dass der Song in seiner Gesamtheit bearbeitet und verfeinert wird. Bestimmte Frequenzen werden nochmal angehoben oder gesenkt, die Dynamik wird in Einklang gebracht und die Lautstärke wird angepasst, um nur einige wenige Variablen zu nennen. Besonders wichtig wird dies bei einer Albumproduktion, da hier verschiedene Lieder eines/einer Künstlers/Künstlerin oder einer Band gespielt werden und diese Lieder eine gewisse Zusammengehörigkeit ausstrahlen sollen. Aber auch etwa eine Single, welche im Laufe einer Playlist auf Spotify gespielt wird, sollte genauso laut sein, wie anderen Lieder. Ist das Mastering erstmal abgeschlossen, steht einer Veröffentlichung nichts mehr im Weg.

iZotope

iZotope ist eine Audiotechnologie Firma, die am ersten Januar 2001 gegründet wurde und ihren Sitz in Cambridge, Massachusetts hat. Neben Software (Plugins) für den Gebrauch in einer DAW (Digital Audio Workstation), stellen sie auch noch Hardware und Apps für die Audiowelt her. Für ihre Software wurden sie schon mehrmals mit Preisen ausgezeichnet. Seit Gründung wurden 16 verschiedene Plugins veröffentlicht, sofern die Generationen nicht mitgezählt werden. Ihr Motto ist dabei:

“We make innovative audio products that inspire and enable people to be creative.”

iZotope

Die Plugins werden entweder einzeln oder in Bündeln verkauft. In diesem Artikel werden wir einen genaueren Blick auf das Tonal Balance Bündel werfen. Hierin enthalten sind folgende vier Plugins: 

  • Ozone 9 Advanced: Ist ein Mastering Plugin, das den Großteil der benötigten Mastering Anwendungen in einem Plugin vereint.
  • Neutron 3 Advanced: Ist ein Plugin, um die individuellen Instrumente besser klingen zu lassen und beinhaltet den Großteil der dafür benötigten Anwendungen.
  • Nectar 3 Plus: Ist ein Plugin, um Vocals besser klingen zu lassen und beinhaltet den Großteil der dafür benötigten Anwendungen.
  • Tonal Balance Control 2: Ist ein Analyzer, welcher mit verschiedenen Genre-Datenbanken ausgestattet ist und dadurch einen Anhaltspunkt gibt, wie der Frequenzverlauf im fertigen Mix und Master aussehen soll. 

Anwendung in der Theorie

Ozone 9, Neutron 3 und Nectar 3 haben dabei einen “Assistant” Modus, welcher bei Aktivierung individuelle Einstellungen für den Song oder für die einzelnen Elementen trifft. Dazu fragt der Assistant im ersten Schritt, welche Intention mit der Bearbeitung verfolgt wird. Im Fall von Neutron gibt es dazu drei verschiedene Parameter. Als erstes kann das Instrument angegeben werden, dies ist aber kein Muss, da der Algorithmus dies in den meisten Fällen selbst korrekt bestimmt. Im nächsten Schritt kann der “Style” bestimmt werden. Dazu stellt Neutron drei Kategorien zur Verfügung: Warm, Balanced und Upfront. Im Anschluss wird die “Intensity” erfragt, also wie drastisch die Arbeitsschritte und die Veränderung sein sollen. 

© 2021 iZotope, Inc

Wenn diese Angaben gegeben sind, muss nur noch die Tonspur abgelaufen werden, sodass Neutron mit dem Analysieren beginnen kann. Dies dauert meist wenige Sekunden. Danach gibt uns Neutron fünf von sieben Anwendungen heraus, die individuell angepasst zur Verfügung stehen. Diese können wir bei Bedarf dann selbst noch bearbeiten, deaktivieren oder aktivieren. 

Diese Vorgehensweise funktioniert in ähnlicher Art auch bei Ozone und Nectar. Soviel zur Theorie, wie aber klingt dies in der Praxis?

Anwendungsbeispiel

Um die Fähigkeiten der iZotope Plugins zu testen, habe ich einen Metal Loop verwendet. Der Loop besteht dabei aus Bass, Lead Gitarre, Rhythmus Gitarre und Schlagzeug, die allesamt keine Vorbearbeitung haben. Danach habe ich “Relay” auf jeden Channel gesetzt, dieses Plugin ist in Tonal Balance Control 2 enthalten und analysiert die Lautstärke und das Panning der individuellen Instrumente. Als nächstes habe ich den Neutron Visual Mixer auf den Masterchannel gelegt. Der Visual Mixer bietet mir einen Mix Assistant, welcher eine individuelle Lautstärke für die Instrumente erstellt und diese an Relay sendet. Dabei kann ich den sogenannten “Focus” setzen, also welche Instrumente besonders hervorstechen sollen. In diesem Beispiel habe ich das Schlagzeug und die Gitarren in den Fokus gesetzt. Im Anschluss werden die Verhältnisse der Lautstärke bestimmt und ein Roh-Mix erstellt. 

Daraufhin habe ich bei jedem Instrument Neutron aktiviert, die Kategorien ausgefüllt und zum Schluss Ozone auf dem Masterchannel aktiviert. 

Die gesamte Arbeit hat mich ca. 15-20 Minuten gekostet. 

Zum Vergleich habe ich einen zweiten Mix erstellt, für welchen ich etwa ein bis zwei Stunden gebraucht habe. Unten können die drei Beispiele angehört werden.

Song ohne Bearbeitung
Song mit iZotope Bearbeitung
Song mit eigener Bearbeitung

Wer mehr über das Mixing mit iZotope Plugins erfahren möchte, kann hier in das Tutorial reinschauen:

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Fazit

Mixing und Mastering ist eine komplexe Arbeit, die jahrelange Erfahrung benötigt, um sie professionell ausführen zu können. Dabei spielen aber nicht nur die technischen Aspekte eine Rolle, sondern auch die kreativen. Das Mixing sowie das Mastering gehen immer mit dem jeweiligen Engineer Hand in Hand. Der jeweilige Geschmack spielt dabei eine größere Rolle, als die tatsächlichen technischen Grundlagen, auch wenn natürlich gewisse Punkte erfüllt sein müssen, um hörenswerte Werke zu kreieren. Die iZotope Plugins schaffen dabei ein sehr gutes Fundament, auf das der Künstler oder auch der Engineer zurückgreifen kann. Für die große Label-Produktion ohne weitere Eingriffe reicht die KI noch nicht aus. Um seiner Musik aber einen ersten Schliff zu geben und um aus dem Prozess zu lernen, sind die iZotope Plugins hervorragend geeignet.

Textquellen

Bildquellen

Titelbild: Eigenwerk

Alle anderen Bilder sind selbstgemachte Screenshots der Plugins

Musikquellen

Songwriter: Jonas Waschke

Eingespielt von: Nico Radvan

Mix und Master von: Jonas Waschke