Studium

Götz Gruner – mit Leidenschaft für das Bewegtbild

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Götz Gruner – mit Leidenschaft für das Bewegtbild

Schon als Kind war Götz Gruner fasziniert von der kreativen Welt des Films. Die große Leidenschaft für Bewegtbild, Animations- und Experimentalfilm begleiteten ihn durch seine Kindheit, im Studium und in seiner beruflichen Karriere. Mit 14 kaufte er sich von seinem Konfirmationsgeld seine erste Videokamera, eine „Super 8“. Als junger Student zeigte er provokante, nudistische Medienkunstwerke auf Vernissagen und stellte immer wieder das Medium Film in Frage. Er gilt als Mitbegründer des Studiengangs m.gp an der Hochschule Offenburg, doch sein Wirken fängt schon viel früher an.

Jeder Student kennt es – das Semesterende naht, dauerhafter Stress durch viele Abgaben, Klausuren und Projekte. Oft ist es schwierig, in diesem Stress den Überblick zu behalten. Gerade ich, ein chaotischer m.gp Student, der eine Briefschublade und keinen Kalender besitzt. Ich war auf einem Dreh, als ich bemerkte, dass Professor Gruner eine Woche zuvor auf meine Email geantwortet hatte. Inhalt der elektronischen Post: Terminvorschläge für unser gemeinsames Interview. Der erste Termin war „morgen“ und der zweite hätte durch die strengen Abgabevorschriften unseres Newsrooms auch nicht gepasst. Was also tun? Es war einer dieser nostalgischen Momente, die man heutzutage nicht mehr oft erlebt. Ich wählte eine Festnetznummer aus dem Telefonbuch, war nervös, weil ich nicht wusste, wer den Hörer abnehmen wird. Die Nervosität verging jedoch relativ schnell, da Professor Gruner ein sehr umgänglicher Gesprächspartner war, trotz eines unangekündigten Anrufs.

Eigentlich wollte ich Tenorsänger werden.

Das Leben läuft oft anders, als man es erwartet. Als Heranwachsender spielte Götz Gruner Trompete und Sang als Tenor im Chor. Die Trompete gab er jedoch auf, da er bemerkte, dass er dem Instrument nicht genügend Widmung schenken konnte. Parallel zu seiner musikalischen Leidenschaft lief immer die Filmerei. Mit 14 kaufte er sich von seinem Konfirmationsgeld eine Super 8 und machte erste Versuche in der Animation.

Im Studium konzentrierte er sich auf seine Entwicklung als Künstler. Er stellte Installationen mit mehreren Filmprojektoren aus, die er und seine Kommilitonen mit Visualisierungen „auf’n blanken Arsch“ projizierten. Er zerkratzte, während die Kamera aufnahm, das Objektiv und sprengte schlussendlich die komplette Maschine, um „die letzten Zuckungen auf den Film zu bekommen“. Experimental- und Animationsfilm spielten eine immer größere Rolle im Leben des jungen Künstlers, bis er sich dem Medium voll und ganz widmete. Seine 250-seitige Zulassungsarbeit behandelte das Thema Experimentalfilm. Nebenbei studierte Gruner noch Philosophie und Soziologie mit dem Fokus auf Hegel, Popper und Habermas.

Wir haben den Gewandmeister mit Whisky bestochen.

Welcher Studi muss eigentlich nicht nebenbei noch etwas Geld verdienen? Viele haben neben dem Hochschulalltag Mini- oder Teilzeitjobs, um über die Runden zu kommen. Bars, Post, Lidl und Aldi sind beliebte Arbeitsplätze. Während des Studiums musste der heutige Professor ebenfalls Geld verdienen, doch lief das nicht so gewöhnlich ab, wie bei den meisten von uns. Er hatte eine Comedian Harmonists Gruppe, mit denen er auftrat. Um sich optisch dem Original anzugleichen, bestach er den alkoholliebenden Gewandmeister der Stuttgarter Staatsoper mit Whiskey. Dieser rückte im Gegenzug Zylinder und Anzüge raus und so konnte Gruner mit seiner Truppe authentisch live auftreten und übernahm dabei den Part des Tenors. Mit diesen Auftritten verdiente er sich sein Taschengeld und hielt sich so über Wasser. Heute läuft das als Prof an der HS natürlich geregelter.

Nach dem Studium arbeitete Gruner zunächst als Kameramann und Cutter. Er musste den Film tatsächlich noch manuell mit der Schere schneiden. Für uns Filmstudenten ist ein Schnittplatz ein PC oder Mac. Gruners Arbeitsplatz hatte im Gegensatz zu uns monströse Ausmaße. Wer bei uns im D-Gebäude das Metallungetüm im zweiten Stock gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Neben dem Film interessiert sich Gruner heute nach wie vor sehr für klassische Musik, Jazz und Kunst. Götz Gruner besucht regelmäßig Symphonie-Orchester, Oper, Vernissagen und Kunstmessen. Nebenbei sammelt er Werke junger Künstler und stellt seine Sammlung auch aus.

Götz Gruner - zwischen Filmfestivals, Hochschule und Fördergelder
Die Vorbilder seiner Cover-Gruppe, die Comedian Harmonists

Die Filmakademie war anfangs nur eine Fabrikhalle mit einem Tisch und einem Stuhl

Viele m.gpler bewerben sich nach dem Studium an der Filmakademie in Ludwigsburg. Was viele nicht wissen, Gruner war im Gründungsteam der Filmakademie. Die Hochschule in Ludwigsburg ist einer der renommiertesten Filmschulen Deutschlands und im Bereich Animation sogar weltweit. Zu den Gründungszeiten bestand die Akademie jedoch nur „aus einer Fabrikhalle, einem Tisch und einem Stuhl“. Durch intelligente Anschaffungen und Visionen wurde die Film-AK schnell zur Speerspitze deutscher Filmhochschulen. Götz Gruner doziert nach wie vor an der Akademie und macht dort einmal im Quartal die Einführungskurse in Gestaltung und Animation.

Die Filmakademie und das Trickfilmfestival in Stuttgart haben eine gemeinsame Geschichte. Trickfilmgestalter aus aller Welt stellen auf dem Festival in Stuttgart ihre Werke aus. Sie dienen als Inspirationsquelle und Ansporn für die Studenten der Hochschule in Ludwigsburg. Sowohl die Film-AK als auch das Trickfilmfestival wuchsen und sind bis heute eng verbunden. Gruner war acht Jahre lang der Programmgestalter des Festivals und führte den Programmpunkt „Best-of-Animation“ und die „Retrospektive“ neu ein.

Uns haben Kinofilme überhaupt nicht interessiert

Im Rahmen des Trickfilmfestivals waren Kinofilme für ihn eher uninteressant. In einer von Disney und Warner dominierten Zeichentrickfilmindustrie suchte Gruner immer nach alternativem und neuem Input für das Programm des Festivals. Das Hauptaugenmerk lag bei Filmen, die in der Kinolandschaft untergingen und eben nicht auf den Leinwänden gezeigt wurden. Der heutige m.gp Dekan erinnert sich daran, dass er als Schüler zum Osnabrücker-Experimentalfilmfestival gefahren ist, um solche Filme sehen zu können. Heute sind sie für uns Studenten aus Baden-Württemberg greifbarer. Für die Studenten der Filmakademie ist das Trickfilmfestival ein Anreiz, die eigenen Projekte an ein internationales Publikum zu bringen und damit Kontakte zu knüpfen.

So wurde die Fakultät Stück für Stück ausgebaut

Neben den ganzen Tätigkeiten in Stuttgart, hat Gruner auch in Offenburg viel bewirkt. 2009 gründete Götz Gruner zusammen mit Heiner Behring das Studium m.gp, um einen gestalterischen Studiengang an der HS anbieten zu können. Viele Studenten, welche ein künstlerisches Talent besaßen, schafften es nicht durch die IT- und Mathematik-Barrieren des MI-Studiums, weshalb Gruner und Behring beschlossen, m.gp ins Leben zu rufen. Der Studiengang sollte eine Plattform für Künstler werden, um sich gestalterisch zu entfalten, ohne mathematische Hürden. Die Shorts bilden dabei, ähnlich wie das Trickfilmfestival in Stuttgart, einen Ansporn für die Studenten der Hochschule, ihre Werke zu präsentieren.

Die Anfänge des Films an der Hochschule waren jedoch nicht einfach und stießen zunächst auf große Widerstände. Es sollten keine richtigen Filme, sondern nur „kleine Pröbchen“ gefilmt werden. Da Behring und Gruner selbst leidenschaftliche Filmer waren und von der Filmakademie kamen, war ihnen das nicht genug. Gruner meinte dazu, dass „Sie richtige Kunst machen wollten“. Irgendwann ließ der Widerstand nach und das Bewegtbild wurde an der Hochschule Stück für Stück aufgebaut. Behring übernahm den Real- und Gruner den Animationsfilm. Doch was sind die Projekte, an denen der m.gp Dekan heute arbeitet?

Rhinedits und der SWR

Rhinedits ist eines der Projekte, an denen Götz Gruner zur Zeit arbeitet. Eine Kooperation zwischen der Hochschule Offenburg und der Universität Straßburg, die von der EU gefördert wird. Im Mittelpunkt steht die Förderung von Amateurfilmen am Oberrhein. Diese Form von Bewegtbild hat geschichtlich immer mehr an Bedeutung gewonnen, da sie die Vergangenheit gefühlsbetonter und persönlicher beleuchtet. Durch dieses Projekt erhielt die Hochschule rund 400.000€ von der EU, mit denen Gruner auch neue Ausstattung für die Hochschule gekauft hat.

Die Filmindustrie in Deutschland krankt an einem großen Mangel an Produzenten/innen und Aufnahmeleiter/innen. Der SWR und die Hochschule bereiten deshalb den Studiengang Medien, Film und Fernsehproduktion vor. Ein kooperativer Studiengang mit sehr vielen Praktika. Wann genau der Studiengang beginnen wird, ist noch nicht ganz klar, da alles noch in der Planung ist.

Das schwäbische Original

Ich weiß noch, als ich das erste Mal Gruners Vorlesung Experimental- und Animationsfilm besuchte. Er zeigte teils verstörende, teils inspirierende Animationsfilme. Öfter waren Genitalien, Brüste oder entfremdete Objekte auf der Leinwand zu sehen. Legetrickfilme, die sehr aufwendig produziert wurden und deren Produktion Jahrzehnte dauerte, waren ebenfalls zu sehen. Sein umfangreiches Wissen im Bereich der Kunst, Kultur und Film wird mit schwäbischem Akzent vermittelt, stets mit einer E-Zigarette in der Hand, und bunten, knalligen Klamotten. Ob es nun die Möglichkeiten sind, die uns Studenten an der Hochschule gegeben werden, oder die Festivals, an denen er mitwirkt, Gruner wird immer versuchen, dem Film eine Leinwand zu geben.

Bildquellen
  • Bild von Götz Gruner: eigene Darstellung
  • Bild Comedian Harmonists: https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/bayerisches-feuilleton/comedian-harmonists-gensberger-fleckenstein100.html