Schluss mit der Selbstsabotage: Wir vergeuden hunderte Stunden am Schreibtisch – und fallen in der Klausur trotzdem auf die Nase. Der Grund? Unsere Lernmethoden sind oft veraltet und ineffektiv. Doch wer sein Studium wirklich meistern will, muss nicht zwangsläufig härter arbeiten, sondern nur schlauer. In diesem Artikel zeige ich dir wissenschaftlich bewiesene Strategien, die dein Gehirn wirklich erreichen, und gebe dir einen konkreten Workflow für die Medienfakultät an die Hand, damit du den Stoff nicht nur kurzfristig paukst, sondern ihn nachhaltig verstehst und erfolgreich anwendest.
Aber warum lernen wir überhaupt falsch?
Bevor wir zu den Lösungen kommen, müssen wir das Kernproblem verstehen: Warum stecken wir so viel Zeit in ineffiziente Strategien? Die Antwort liegt in unserem Gehirn und einigen gängigen Missverständnissen:
1. Die Illusion des Wissens
Wenn du deine Notizen oder einen Text mehrfach liest, fühlt sich der Stoff irgendwann vertraut an. Das Gehirn signalisiert: „Diesen Inhalt kenne ich schon!“. Spätestens wenn du die Unterlagen weglegst und dich daran erinnern möchtest, sollte dir jedoch auffallen, dass du das Wissen nicht behalten hast. Wir verwechseln hier Vertrautheit mit echtem Verstehen.
Du erkennst also die Worte wieder und verstehst sie, kannst sie aber nicht aktiv abrufen, anwenden oder jemand anderem erklären.
Der Grund: Deine Methode war passiv. Und genau das ist der Punkt, denn:
2. Wir lieben passive Methoden
Methoden wie Lesen, Abschreiben und farbiges Markieren fühlen sich angenehm und produktiv an, weil wir beschäftigt sind und es dennoch wenig kognitive Anstrengung erfordert. Deshalb bevorzugen wir sie intuitiv. Jedoch aktivieren diese unser Gehirn kaum, da wir den Stoff nicht selbst wierdergeben müssen. Die effektiven Methoden sind anstrengender. Sie zwingen das Gehirn zur Arbeit. Und genau deshalb meiden wir sie – ein psychologischer Selbstschutz, der uns aber im Weg steht.
Lernen fühlt sich oft nicht gut an.
Wenn es sich leicht anfühlt, lernst du wahrscheinlich gerade nicht viel.
Warum ist Lernen so schwierig?
Falls dich dieses Thema interessiert, kann ich dir diesen Vortrag von Gerhard Roth empfehlen:
Warum sind Lehren und Lernen so schwierig?
Gerhard Roth war einer der bekanntesten europäischen Neurobiologen. In diesem Skript erklärt er in einfachen Worten, worauf es beim richtigen Lernen (und Lehren) ankommt.
3. Der Mythos vom Lerntyp
Hast du schon von den vier Lerntypen nach Vester gehört? Obwohl Vester’s Theorie 1970 entstanden ist, wird sie bis heute noch fleißig zitiert. Ich habe es selbst damals in der Schule behandelt. Diese besagt, dass jeder einen sogenannten „Hauptkanal“ hat, mit dem er Informationen besonders gut aufnehmen kann.
Zum Beispiel:
auditiv = Inhalte werden am besten durch das Hören eingeprägt.
„höre viele Vorträge und Podcasts und spreche Zusammenfassungen laut aus.„

Aber Achtung:
Diese Idee, wurde empirisch widerlegt!
Sie klingt zwar logisch, ist aber wissenschaftlich nicht haltbar (und zusätzlich in der Praxis auch schwer umzusetzen).
Wer sich deshalb auf einen Typ festlegt, schränkt sich unnötig ein.
Dein Gehirn lernt am besten, wenn du so viele Sinne und Methoden wie möglich aktivierst.
Bewiesene Methoden
Wie also bekommst du das Wissen wirklich in den Kopf? Die Wissenschaft hat hier klare Favoriten, die du sofort anwenden kannst:
1. Active Recall
Wenn du nur eine einzige Sache aus diesem ganzen Artikel mitnimmst, dann bitte diese. Active Recall ist der absolute Kern von erfolgreichem Lernen. Ohne diese Methode verschwendet man eigentlich nur Zeit.
Noch dazu ist es absolut kein Hexenwerk!
Es heißt übersetzt „Aktives Abrufen“, und bedeutet genau das, was der Name bereits vermuten lässt. Dabei versuchst du, Informationen aktiv aus deinem Gedächtnis hervorzuholen, ohne in die Lösung zu schauen. Es ist im Grunde also ein ständiger Selbsttest.

Dahinter steckt das Prinzip der Desirable Difficulty (wünschenswerte Erschwernis). Lernen funktioniert auf neuronaler Ebene am besten, wenn es eine gewisse Anstrengung erfordert. In dem Moment, in dem du kurz stockst und dich anstrengen musst, um eine Information abzurufen, wird ein chemisches Signal an dein Gehirn gesendet. Dadurch wird signalisiert, dass diese Information gebraucht wird und die entsprechende neuronale Verbindung gestärkt werden soll. Das bloße erneute Anschauen einer Information löst diesen Prozess nicht aus. Erst der erfolgreiche Abruf sorgt dafür, dass das Wissen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis wandert.
Fragen statt Zusammenfassungen
Schreibe dir zu der Vorlesung keine Zusammenfassungen, sondern formuliere Fragen zum Stoff (Karteikarten). Beim Lernen gehst du nur diese Fragen durch und musst die Antworten selbst produzieren.
Blurting
Nachdem du ein Thema bearbeitet hast, nimmst du ein leeres Blatt Papier. Schreibe alles auf, woran du dich erinnerst, ohne nachzuschauen. Erst danach öffnest du das Buch und ergänzt das, was fehlt. Insbesondere für komplexe Sachverhalte sinnvoll
Stop & Go
Schließe nach jedem Sinnabschnitt kurz die Augen und rekapituliere im Kopf die Kernaussage. Wenn du es nicht formulieren kannst, hast du die Lücke sofort identifiziert.
2. Spaced Repetition
Im Grunde bedeutet Spaced Repetition, dass wir unser Gelerntes in bestimmten Intervallen wiederholen müssen. Denn (und das wird dich wahrscheinlich nicht überraschen): Unser Gehirn vergisst gerne. Was wir nicht ständig brauchen, wird gnadenlos aussortiert. Ab wann wir wie viel vergessen, hat der Psychologe Hermann Ebbinghaus erforscht und in der sogenannten Vergessenskurve visualisiert. Mit Spaced Repetition arbeitest du dabei gegen die diese Kurve an.

Kurz nach dem Lernen gehen die meisten Informationen verloren; nach 20 Minuten sind bereits rund 40 % des Gelernten vergessen.
Lerne lieber verteilt: Wiederhole den Stoff (zum Beispiel in Form der Karteikarten) heute, dann in zwei Tagen, dann in einer Woche. Du zögerst so die Vergessenkurve hinaus und vergisst langsamenr. Digitale Karteikarten-Apps sind hierfür genial, weil sie dir das Planen abnehmen.
Hilfreiche Apps für Karteikarten:
Das Planen der Intervalle ist nervig? Lass das eine App machen!
Tools wie Anki oder Remnote basieren genau auf diesem Algorithmus. Sie zeigen dir morgens automatisch nur die Karten an, die du gerade kurz vor dem Vergessen bist. Das spart Zeit.
– Remnote
– Anki
– Goodnotes
Durch KI ist es mittlerweile auch möglich, sich die Karteikarten erstellen zu lassen. Einen interessanten Beitrag findest du hierzu in unserem Newsroom.
Bedenke aber: Das automatische Erstellen nimmt dir nicht das eigentliche Lernen ab!
3. Die Feynman-Technik
Die Technik ist eine einfache Methode, um zu überprüfen, ob man ein Thema wirklich verstanden hat. Der Ablauf ist wie folgt:

Wir neigen nämlich oft dazu, uns hinter komplizierten Fachbegriffen zu verstecken.
Die Feynman-Technik ist deshalb so effektiv, weil sie dich zwingt, das Wissen in deine eigenen Worte zu übersetzen.
💡 Tipp
Stelle dir vor, du erklärst das Thema einem Fünftklässler.
3 Gründe für die Feynman-Technik
4. Mindmaps
Mindmaps sind eine super Möglichkeit, die zu lernenden Informationen visuell darzustellen und zu strukturieren. Dadurch behältst du den Überblick und kannst die Themen in “das große Ganze” einordnen. Sie ermöglichen dir, Verbindungen zwischen Themen herzustellen.

💡 Tipp
Wenn du digital arbeitest, kann ich dir hier Apps empfehlen, welche sogenannte unlimited Whiteboards anbieten. Du kannst dort auf einer Seite bequem deine Mindmap erstellen und bis ins Unendliche skalieren, ohne so Bedenken zu haben, dass dir der Platz ausgeht.
Ich selbst nutze das Feature in Goodnotes. Es gibt aber auch andere Alternativen wie Apple Notes (Freeform) oder Microsoft Onenote.
Dein Workflow im Medienstudium
Da wir an der Medienfakultät sehr vielseitig studieren, gibt es nicht die eine Strategie für alles. Aber aus eigener Erfahrung hat man je nach der Art der Lehrveranstaltung eine andere optimale Herangehensweise.
1. Grundlagen- und Theoriemodule
Wenn du für Lehrveranstaltungen mit begriffsintensiven Themen und Modellen lernst, geht es darum, Fakten zu behalten und Zusammenhänge zu verstehen. Ich empfehle deswegen bei Modulen dieser Art:

- Lies die Literatur, die in den Skripten erwähnt oder zitiert wird. Dadurch vertiefst du dein Wissen und bekommst hilfreiche Beispiele und veranschaulichende Grafiken.
Das meiste findest du direkt im OPAC der Hochschulbibliothek. - Außerdem kannst du hier die oben genannten Methoden voll ausspielen! Gerade in Wirtschaftsfächern hast du oft geballtes Wissen und Fachwörter. Nutze Karteikarten für Definitionen und Mindmaps, um die großen Zusammenhänge zwischen den behandelten Themen zu visualisieren.
- Schau dir zur Veranschaulichung YouTube-Videos an
2. Anwendungs- & Logikmodule
Bei vielen Modulen ist das reine Wiedergeben von Informationen jedoch nicht der richtige Weg. Insbesondere bei logikbasierten Modulen wie Informatik und Technik wird gefordert, die in der Vorlesung vorgestellten Methoden und Formeln an neuen Aufgabentypen praktisch anzuwenden.
- Du profitierst mehr davon, unter dem Semester die konkreten Übungen aus der Vorlesung zuhause noch einmal selbst zu errechnen oder zu programmieren. Denn nur wenn du selbst am Problem kniffelst, lernst du es wirklich.
- In diesen Disziplinen werden auch häufig Tutorien angeboten. Falls es welche gibt, nimm sie unbedingt wahr!
Sie helfen ungemein, da sie dir die Möglichkeit geben, konkrete Fragen zu stellen und zusätzliche Übungen zu bearbeiten. Wenn du es dir außerdem zur Aufgabe machst, regelmäßig hinzugehen, bleibst du automatisch „am Ball“ und hast zusätzlich ein gutes Gefühl, weil du produktiv bist.
(Ich persönlich verdanke die meisten „Aha-Momente“ und guten Noten unseren engagierten Tutoren.)

3. Kreativ- & Projektmodule
In diese Disziplin fallen alle Module, bei diesen du am Ende eine praktische Arbeit abgibst. Hier gelten ganz andere Regeln als beim Lernen für eine Klausur.

- Hier ist Perfektionismus der Killer der Kreativität. Nimm dir vor: Lieber starten und schauen, was passiert, als ewig zu überlegen.
- Hol dir Inspiration von den „Besten“ (Es ist keine Schande, abzugucken)
- Wenn du mit Programmen designst, schaue Videos von anderen Creatives. Du lernst nicht nur neue Techniken, sondern oft auch geniale Shortcuts und Workarounds.
Hilfreiche Plattformen sind hier YouTube und Pinterest
Standardtipps
Zum Schluss hier noch ein paar grundlegende Tipps von mir:

Bereite dich mental drauf vor
Bevor du den eigentlichen Stoff lernst, rufe bereits vorhandenes Wissen in Erinnerung. Zum Beispiel, indem du alte Karteikarten durchgehst oder einfache Übungsaufgaben wiederholst.

Habe eine positive Grundstimmung
Du lernst dadurch auch effektiver. Setze dir keine unrealistischen Ziele. Halte dir außerdem vor Augen, warum du lernst.

Lege Pausen ein
Es gibt zum Beispiel die Pomodoro-Technik oder die 60-60-30-Methode. Die Faustregel: Spätestens wenn du dich nicht mehr konzentrieren kannst, ist es Zeit für eine Pause.

Grüble nicht ewig
Wenn ich bei einer Aufgabe hänge, schaue ich nach max. 5 Minuten die Lösung nach oder frage jemanden. Ewiges Grübeln frustriert nur und bringt meistens nichts (von US-Studie belegt).

Trickse deinen Schweinehund aus
Wenn ich gar keine Lust habe, nehme ich mir vor: „Ich mache nur 10 Minuten.“ Das ist machbar. Meistens bin ich dann ohnehin in dem Thema drin und mache weiter.

Beware deine Fehler auf
Wenn du Übungen korrigierst, nehme einen roten Stift, aber lösche deine Fehler nicht – daraus lernt man am meisten.
Es ist keine Schande nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
Platon
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Quellen
- Allgemeine Tipps: https://www.campus-akademie.uni-bayreuth.de/de/akademie/Blog/Tipps-und-Tricks-zum-erfolgreichen-Lernen/index.html
- Lernmethoden: Improving Students’ Learning With Effective Learning Techniques: Promising Directions From Cognitive and Educational Psychology
- Lernmethoden: https://www.youtube.com/watch?v=-XXsRFk8_K8&t=181s
- Lernmethoden: https://www.youtube.com/watch?v=Ai_kjOLZLg4&t=128s
- OPAC der HSO: https://bsz.ibs-bw.de/aDISWeb/app?service=direct/0/Home/$DirectLink&sp=SOPAC02
- Pinterest: https://de.pinterest.com/
- Vortrag von Gerhard Roth: https://www.die-bonn.de/doks/roth0301.pdf
- YouTube-Short: https://www.youtube.com/shorts/EZD-MwElw0I
- Anki: https://apps.ankiweb.net/
- Goodnotes: https://www.goodnotes.com/de
- Remnote: https://www.remnote.com/
Bildquellen
- Titelbild, Grafiken & Icons erstellt mit Canva.
- Gestaltung – Bild: https://www.pexels.com/photo/person-using-macbook-pro-on-table-4348403/
- Informatik – Bild: https://www.pexels.com/photo/a-man-sitting-in-front-of-the-computer-while-working-7988087/
- Marketing – Bild: https://www.pexels.com/photo/overhead-shot-of-homework-and-papers-9159411/