Studentenleben

Familienblogger – Darum hat Content mit Kindern keinen Platz auf Social Media

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Familienblogger – Darum hat Content mit Kindern keinen Platz auf Social Media

Durch Instagram, YouTube und Co. ist es mittlerweile zur Normalität geworden, Influencer auf Schritt und Tritt durch den Alltag zu begleiten. Vom Aufwachen bis zum Zubettgehen – alles wird in Vlogs festgehalten oder durch Storys in Echtzeit mit den Followern geteilt. Zum Teil bis zu mehreren Millionen Menschen intime Einblicke in das eigene Zuhause und damit die Privatsphäre zu geben muss eine bewusste Entscheidung sein. Aber was ist mit den Kindern der sogenannten „Familienblogger“, die von ihren Eltern in diese Situation gebracht werden?

Bevor wir uns näher mit den negativen Auswirkungen für die Kinder beschäftigen, werfen wir einen Blick auf die Familienblogger. Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff und welchen Platz nehmen diese in der digitalen Welt von heute ein?

Was sind Familienblogger?

Die Familienblogger haben alle eines gemeinsam: Sie thematisieren den Alltag als Familie. Wie der jedoch genau aussieht, kann sich stark unterscheiden. Ein, zwei oder drei Kinder, gerade erst auf die Welt gekommen oder vielleicht doch schon ein Teenager? Hinzu kommen ganz alltägliche Themen wie Kinderkrankheiten, Erziehungstipps oder Inspirationen für alltägliche Themen, zum Beispiel welcher Aufstrich am nächsten Tag auf dem Pausenbrot der Kinder sein könnte. Aber auch komplexere Angelegenheiten wie Hausbau, Umzug oder sogar das Auswandern mit der gesamten Familie können auf diesen Kanälen angesprochen werden.

Eltern fühlen sich oft bei der Erziehung ihrer Kinder unsicher und suchen den Kontakt zu Gleichgesinnten. Durch Social Media ist das einfacher als je zuvor. Deshalb finden die Familienblogger oft großen Zuspruch und haben eine loyale Fangemeinde. Gerade, wenn die Influencer bereits vor der Geburt ihrer Kinder bekannt waren und deren Follower diese von Geburt an aufwachsen sehen, schafft dies eine besondere Bindung. Dadurch ist die Bereitschaft zur Interaktion auf den Kanälen meist höher und macht diese für Unternehmen zu hervorragenden Partnern für Werbekooperationen.

Familienblogger in Deutschland

Du möchtest dir selbst ein Bild von den Familienbloggern machen? Dann sieh dir doch drei bekannte Kanäle aus Deutschland an!

1. Team Harrison

Das sind Sarah und Dominic Harrison mit ihren Töchtern Mia und Kyla. Auf ihrem YouTube-Kanal dokumentieren die beiden die Anfänge ihrer Beziehung, gewähren den Zuschauern detaillierte Einblicke in ihre Hochzeitsvorbereitungen und auch während den beiden Schwangerschaften bleibt nichts im Verborgenen.

Ende 2020 folgte schließlich der Umzug nach Dubai. Seitdem nimmt Team Harrison ihre Follower mit durch das Familienleben in der Wüste.

Egal ob Geburtstag, Ausflug oder doch die Einrichtung des neuen Hauses – alles wird stets gefilmt und mit den Followern geteilt. Immer dabei sind natürlich auch die beiden Kinder.

Der YouTube-Kanal der Familie hat mehr als 1,2 Millionen Follower, auf Instagram sehen sich 590.000 Nutzer regelmäßig die Storys aus dem Familienleben an (Stand Mai 2023). Noch populärer sind jedoch die Instagram-Kanäle der beiden Eltern, auf denen ebenfalls täglich aus dem Familienleben berichtet wird. Während Dominic eine Millionen Follower hat, sind es bei Sarah drei Millionen.

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2. Isabeau

Isabeau wohnt mit ihrem Mann Alex und den Kindern Frida, Leona, Pauline und Moritz auf Madeira. Abgerundet wird das Familienglück durch Hund Bruno.

Auf ihrem YouTube-Kanal nimmt Isabeau ihre rund 660.000 Abonnenten durch Vlogs mit durch ihren Familienalltag (Stand Mai 2023). Ganz Alltägliches wie der Wocheneinkauf, der Haushalt mit vier Kindern oder die Organisation der Freizeitaktivitäten werden mit den Followern geteilt. Aber auch bei Geburtstagen, Einschulungen sowie anderen Familienfeiern ist die Kamera stets dabei.

Mit YouTube begonnen hat Isabeau in ihrer ersten Schwangerschaft. Seitdem hat sie diese bei jedem ihrer Kinder dokumentiert und auf Social Media geteilt. Aber auch der Umbau eines Hauses in Deutschland, der Umzug nach Madeira sowie die Suche und Einrichtung des Hauses dort konnte von den Followern begleitet werden.

Im Vergleich zu anderen Familienbloggern beschränkt sich die Social Media Präsenz bei Isabeau auf ihren Instagram- sowie den YouTube-Kanal. Ihr Mann Alex hat selbst keinen eigenen Account. Sowohl auf den Instagram-Posts als auch in den Vlogs werden die Gesichter der Kinder stets unkenntlich gemacht.

3. Mamiseelen

Hinter Mamiseelen steckt Nancy mit ihrem Mann Justus und den vier Kindern Johann, Clara, Elisa und Anastasia. Regelmäßig nehmen die sechs ihre Follower mit durch ihren Alltag und berichten von Geburtstagen, Klassenfahrten aber auch dem ganz normalen Wahnsinn Zuhause. Haare schneiden, Kuchen backen oder vor dem Zubettgehen noch ein Buch lesen – alles wird von der Kamera begleitet und mit den Followern geteilt. Hinzu kommen Tipps und Tricks rund um das Familienleben und Inspirationen, zum Beispiel in Form von Roomtouren durch die Kinderzimmer.

Der YouTube-Kanal hat 1,1 Millionen Abonnenten, auf Instagram verfolgen über 580.000 Follower regelmäßig das Leben der Familie. Auch Justus gibt auf Instagram Einblicke in seinen Alltag als Arzt und Familienvater. Der Account hat über 125.000 Follower.

Hinzu kommen die Social Media Auftritte der beiden ältesten Kinder Johann und Clara. Beide haben sowohl einen Instagram-, als auch einen YouTube-Kanal. Diese haben bei Johann 50.200 bzw. 318.000 Abonnenten und bei Clara 53.800 bzw. 249.000 Abonnenten (Stand Mai 2023). Laut der Instagram Bio werden die Kanäle jeweils von den Eltern geführt.

Diese drei Thematiken sind besonders problematisch


Den Alltag mit der Kamera zu begleiten, hört sich im ersten Moment gar nicht so schlimm an. So werden die schönsten Momente für die Ewigkeit festgehalten und durch Kooperationen mit den entsprechenden Werbeeinnahmen erhalten die Kinder regelmäßig neue Spielsachen oder Geld, welches für die Ausbildung zurückgelegt werden kann.

Doch manchmal kommt es vor, dass die Bilder für Instagram und die Inhalte der Vlogs zwar interessant und unterhaltsam für die Zuschauer sind, für die Kinder jedoch ziemlich unangenehm werden können. Die folgenden Aspekte werden von Experten als besonders riskant eingestuft:

Bild 1: Content-Produktion mit Kind

Bilder und Videos aus dem Kinderzimmer

Das Problem bei diesem Content besteht darin, dass den Kindern jede Möglichkeit genommen wird, ihre Privatsphäre zu schützen. Das eigene Kinderzimmer, eigentlich der geschützte Rückzugsort, wird plötzlich zum Drehort für Vlogs, welche anschließend ein Millionenpublikum zu Gesicht bekommt.

Inhalte, auf denen die Kinder leicht bekleidet oder krank sind

Weiterhin nichts in den sozialen Netzwerken zu suchen haben Bilder und Videos, die Kinder leicht bekleidet zeigen, beispielsweise beim Schwimmen. Aber auch Szenen, in denen die Kinder krank sind oder sich gar im Krankenhaus befinden und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern ohne Begleitung durch die Kamera benötigen, sollten nicht für Jedermann auf YouTube verfügbar sein.

Kinder werden in unangenehme oder peinliche Situationen gebracht

Ein weiteres Risiko ergibt sich daraus, dass der normale Familienalltag im Laufe der Zeit für die Zuschauer zu langweilig werden könnte und dadurch immer neue Methoden gesucht werden, um die Videos interessanter zu gestalten. Zum Beispiel, indem sich die Eltern Streiche, auf Social Media eher bekannt als Pranks, ausdenken. Was auf den ersten Blick für die Follower lustig ist, bringt die Kinder in unangenehme oder peinliche Situationen, die für immer ohne ihre aktive Zustimmung online zu finden sind. Hierbei wird die Unterhaltung der Follower über das Wohlbefinden der Kinder gestellt.

Diese Gefahren ergeben sich für die Kinder

Wie gravierend die Einblicke in die Privatsphäre der Kinder sind, zeigt das folgende Zitat von Influencerin @caroandthegang:

Ich kenne dein Kind! Ich kenne seinen Namen. Ich weiß, wie es aussieht, wie es spricht. Ich sehe es jeden Tag. Ich kenne seine Lieblingsspeise und jeden Winkel seines Zimmers. Ich weiß, wo ihr wohnt, auf welche Spielplätze ihr geht. Ich kenne auch Deinen Namen und den des Vaters. Ich kenne die Kleidung Deines Kindes und weiß, welche Bücher ihr gerade lest. Ich weiß, was ihr gestern gemacht habt und wo ihr am Wochenende seid. Ich kenne das Lieblingskuscheltier Deines Kindes, das neue Poster über dem Bett. Seit zwei Tagen hat Dein Kind Durchfall. Ich weiß, was Dein Kind mag und was überhaupt nicht, habe es schon lachend, weinend, sabbernd und schlafend gesehen. Bekleidet und halb nackt. ICH kenne DEIN Kind. Woher ich das alles weiß, fragst Du dich? … Von Dir.“

Das Internet birgt viele Gefahren. Davon bleiben auch die Kinder der Familienblogger nicht verschont. Hinzu kommt die Problematik, dass diese durch das Familienmodell des Kanals unfreiwillig in die Öffentlichkeit gerückt werden und oftmals den Publikumsmagnet darstellen. Da können die Eltern, auch ohne böse Absichten, beim Drehen schnell mal die Zeit oder mögliche Datenschutzthematiken vergessen.

Verletzung der Persönlichkeitsrechte

Grundsätzlich dürfen die Eltern bei Kindern bis 14 Jahren entscheiden, ob und welche Bilder bzw. Videos von ihren Kindern ins Internet hochgeladen werden. Demnach ist es ihnen auch erlaubt, die Inhalte ohne deren aktive Einwilligung zu veröffentlichen.

Jedoch gibt es hier auch Ausnahmen, um die Kinder zu schützen. Laut vergangener Gerichtsentscheidungen kommt es bei Kindern ab sieben Jahren im Zweifelsfall auf die Einsichtsfähigkeit an. Versteht das Kind, was mit den Bildern passiert und möchte nicht, dass diese veröffentlicht werden, muss dies von den Eltern beachtet und respektiert werden.

Missbrauch durch Sexualstraftäter

Vor einigen Jahren kam auf YouTube ein neues Problem auf. Sexualstraftäter kommentierten unter Kindervideos immer wieder Zeitangaben, wo sich die aus ihrer Sicht interessantesten Stellen im Video befanden. Daraufhin reagierte YouTube und deaktiviert auch heute immer wieder die Kommentarfunktion von Videos mit Inhalten von Kindern.

Mittlerweile kamen Reporter jedoch noch einem weiteren Problem auf die Spur. Häufig gelangten auf den ersten Blick harmlose Bilder in die Netzwerke von Pädophilen. Tausende Bilder von vollständig bekleideten Kindern wurden im Darknet hochgeladen und von Sexualstraftätern missbraucht. Zudem ist es mit Hilfe einer KI mittlerweile möglich, diese Bilder dahingehend zu verändern, dass die Kinder zumindest leicht bekleidet abgebildet sind.

Für weitere Informationen kannst du dir auch die Berichte der ARD oder von STRG_F ansehen.

Missachtung des Datenschutzes

Wie das oben angeführte Zitat zeigt, weiß man von den Kindern der Familienblogger weit mehr, als im ersten Moment gedacht. Vornamen und Aussehen kann man in den Vlogs herausfinden, den Nachnamen und eine Adresse aus dem Impressum. Zudem wird in den Videos oft auch das Haus, die Gegend darum sowie die Räumlichkeiten der Freizeitaktivitäten gezeigt. So könnten die Kinder von Straftätern recht einfach lokalisiert und im schlimmsten Fall aufgespürt werden. Hinzu kommt, dass die Eltern durch das Hochladen der Instagram-Storys in Echtzeit oftmals den aktuellen Standpunkt der Familie verraten.

Verstoß gegen das Gesetz der Kinderarbeit

Ein weiteres Problem ist die Kinderarbeit. In Deutschland gibt es hierfür strenge gesetzliche Vorgaben, welche zum Beispiel bei Drehs für das Fernsehen strikt kontrolliert werden. Hierbei sind die Eltern als Erziehungsberechtigte auch dafür verantwortlich auf die Einhaltung der Regelungen zu achten. Kleinlich gesehen könnte man in die Familienblogs jedoch ein Arbeitsverhältnis zwischen Eltern und Kindern interpretieren. Problematisch kann dies werden, wenn die Kinder merken, dass die Eltern stolz und zufrieden sind, wenn diese bei den Drehs deren Anweisungen strikt folgen und stets in die Kamera lächeln.

Ja, aber kontrolliert das denn niemand?!

Das war jetzt vielleicht deine erste Frage, nachdem du die Gefahren für die Kinder gelesen hast. Schließlich gibt es in Deutschland ja auch Aufsichtsbehörden und das Jugendamt. Doch hier wird leider meist weggeschaut. Um eine Arbeitserlaubnis für die Kinder zu erhalten, müsste neben einer Absprache mit dem Judendamt sowie der Schule auch eine ärztliche Bescheinigung vorliegen. Welche Anforderungen es genau zu überwinden gibt, kannst du in diesem Statement von dem Kanal „Mileys Welt“ nachlesen.

Zudem darf laut verschiedener Gerichtsentscheidungen nicht alles von den Kindern gezeigt werden. Die bereits oben angesprochenen besonders problematischen Inhalte wie Kinder in peinlichen Situationen oder wenn diese krank sind, sind eigentlich verboten. Auch Aufnahmen am Strand oder aus der Badewanne dürften eigentlich nicht auf den sozialen Netzwerken hochgeladen werden. Doch auch hier ist die Kontrolle von Behörden und den Plattformen selbst notwendig, um diese Entscheidungen durchzusetzen.

Bild 2: Dreharbeiten im Kinderzimmer

Ein weiteres Problem – die Kinderaccounts!

Bild 3: Kind dreht eine Story

Ein weiteres Problem, welches mit den Familienkanälen einhergeht, ist das Erstellen von Kinderaccounts. Dabei erhalten die in den Videos gezeigten Kinder selbst Social Media Kanäle und posten ausschließlich Bilder und Videos, auf denen diese zu sehen sind. Um die von den sozialen Netzwerken vorgegebenen Altersbeschränkungen zu umgehen, enthalten diese Accounts meist Hinweise darauf, dass die Eltern hauptverantwortlich für die Inhalte sind.

Wenn du noch weitere Informationen zu diesem Thema möchtest, dann schaue dir doch dieses Video von Alicia Joe an.

Fazit

Sicherlich hat keiner der Blogger eine böse Absicht, wenn der Familienalltag ständig mit der Kamera begleitet wird. Schließlich sind Eltern ja bekanntlich mächtig stolz auf ihre Kinder und möchten jeden einzelnen Schritt ihrer Sprösslinge am liebsten mit der ganzen Welt teilen. Kann damit „ganz nebenbei“ durch Einnahmen aus Kooperationen und das Monetarisieren der YouTube-Videos die ganze Familie ernährt werden, lädt dies dazu ein, mehr zu teilen, als es den Kindern recht ist. Dabei werden oftmals auch die Langzeitfolgen und möglicher Missbrauch schnell vergessen.