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Tourismus ins All: Wie stark schadet die privatisierte Raumfahrt unserem Klima?

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Tourismus ins All: Wie stark schadet die privatisierte Raumfahrt unserem Klima?

Während das Bevölkern des Mars nach Science-Fiction klingt, arbeitet die privatisierte Raumfahrt bereits mit Hochdruck an Projekten gleicher Dimension. Inspiration und Zweifel liegen dabei nah beieinander: Wieso will die Menschheit den Weltraum erschließen, wenn wir doch das Klima unserer Erde retten sollten?

Die Meinungen zur privatisierten Raumfahrt gehen auseinander: Auf der einen Seite steht die Inspiration und Innovation, die Weltraummissionen mit sich bringen. Auf der anderen Seite stehen Zweifel, ob die dafür benötigten finanziellen und materiellen Ressourcen nicht besser auf der Erde eingesetzt werden könnten – immerhin ist der Klimawandel voll im Gange.

Wo bleibt die Euphorie zur privaten Raumfahrt?

Das Aufkommen von privaten Weltraumunternehmen wie beispielsweise SpaceX, Blue Origin oder Virgin Galactic sorgt in dem Medien immer wieder zu Diskussionen. Die Unternehmen verfolgen im Gegensatz zur klassischen, komplett staatlich finanzierten Raumfahrt nämlich nicht nur Ziele in den Bereichen Forschung und Innovation, sondern wollen unter anderem den Weltraumtourismus vorantreiben. Virgin Galactic bietet beispielsweise einen Sitz für den Flug ins All für 250 Tausend Dollar an.

Soll die Raumfahrt staatlich unterstützt werden?

Laut einer Umfrage der dpa von 2019 ist knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland dafür, die für bemannte Raumfahrt bewilligten Mittel lieber in Forschung, Umweltschutz und Entwicklungshilfe zu investieren.

Mittlerweile sieht man vor allem in den USA, dass private Weltraumunternehmen massiv finanziell vom Staat unterstützt werden. Die NASA profitiert davon, dass private Unternehmen die Kosten für Raketenstarts senken wollen. Das schaffte SpaceX durch das Wiederverwenden von Booster Raketen und dem Steigern der Effizienz ihrer Triebwerke. So betrugen die Kosten für den Transport eines Kilogramms Transportgut zur Internationalen Raumstation (ISS) mit dem Space Shuttle ganze 54,500 Dollar. Dagegen kostet der Transport mit Hilfe einer Falcon 9 Rakete von SpaceX nur 2,720 Dollar pro Kilogramm.

Zwei Booster Raketen von SpaceX landen
Abbildung 1: Landung wiederverwendbarer Booster Raketen von SpaceX

Wie umweltschädlich sind Raketenstarts?

Laut einem Bericht der amerikanischen Luftfahrtbehörde (FAA) stößt eine Falcon 9 Rakete von SpaceX im Durchschnitt ca. 387 Tonnen CO2 pro Start aus. Die gesamte Weltraumindustrie sorgt mit ihren rund 115 Raketenstarts pro Jahr insgesamt für circa 22 tausend Tonnen CO2 Ausstoß. Das Interessante ist aber, dass ein einzelner Langstreckenflug halb so viele CO2-Emissionen nach sich zieht – Mehr, als man erwarten könnte. Dennoch muss man mit Blick in die Zukunft sagen, dass die Anzahl der jährlichen Raketenstarts in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird, sodass auch der prozentuale Anteil der Weltraumfahrt an den Gesamtemissionen der Luftfahrt wachsen wird.

Insgesamt verursachen Flugzeuge jährlich etwa 900 Millionen Tonnen CO2 – Die Raumfahrt ist momentan also eher ein Tropfen auf dem heißen Stein. Rechnet man den gesamten Ausstoß auf die Passagiere um, ist dieser bei Raketenstarts (75 Tonnen pro Passagier) deutlich höher, als bei einem Langstreckenflug (0,5 Tonnen pro Passagier). Deshalb wird auch der Weltraumtourismus kritisch gesehen. Doch welche Argumente gibt es für eine privatisierte Raumfahrt, wenn man den Weltraumtourismus außer Acht lässt?

Vergleich von CO2 Ausstoß von Flugzeug und Rakete
Abbildung 2: Vergleicht der CO2 Emissionen zwischen Rakete und Flugzeug

Wie geht man mit Weltraumschrott um?

Eine Gefahr, welche große Auswirkungen auf die Zukunft der Raumfahrt hat, ist die Ansammlung von Weltraumschrott in unserer Erdumlaufbahn. Nach einiger Zeit werden Satelliten abgeschaltet, da ihre Technik überholt ist, die Hardware an Bord zerstört wird oder die Energie- und Treibstoffreserven zur Neige gehen. Diese inaktiven Satelliten können mit anderem Weltraumschrott kollidieren, wodurch viele kleine Trümmerteile entstehen. Selbst ein vermeintlich kleines Objekt mit einer Masse von einem Gramm entwickelt bei einer Kollision die Kraft von fünfzig Kilojoule, was einer Energie von zwölf Gramm TNT entspricht.

Das größte Problem besteht darin, dass auch die kleineren Trümmerteile untereinander kollidieren, sodass sich in Zukunft ein Schleier aus Weltraumschrott um die Erde bilden könnte. Selbst Trümmerfragmente im Submillimeterbereich können hierbei empfindliche Hardware beschädigen. Die European Space Agency (ESA) geht in einer Hochrechnung davon aus, dass sich im Erdorbit mehr als 340 Millionen Trümmerteile befinden und plant bereits eine Mission, die sogenannten “Space Debris” beseitigen soll.

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Welche Chancen bietet die Raumfahrt?

Bei privaten Raumfahrtunternehmen steht der finanzielle Aspekt stets im Fokus. Dennoch darf man nicht vernachlässigen, dass die Privatisierung der Raumfahrt auch Vorteile birgt. Elon Musk versucht mit seinem Unternehmen Starlink beispielsweise flächendeckend Internet auf die Erde zu bringen. Dank der satellitengestützten Technik soll auch in ländlichen Gebieten eine schnelle Internetverbindung zustande kommen. Dieses Netzwerk aus Satelliten soll außerdem dafür sorgen, dass Geräte weltweit mit geringer Latenz kommunizieren können. So könnten sich beispielsweise autonom fahrende Fahrzeuge einfacher untereinander austauschen.

Jeff Bezos hingegen kündigte vor kurzem an, mit dem “Orbital Reef” eine Weltraumstation im Erdorbit aufbauen zu wollen. Zwar soll Tourismus ein fester Bestandteil dieser Unternehmung sein, aber auch Firmen werden die Möglichkeit haben, im All vergleichsweise günstig Experimente durchführen zu können. Diese Experimente können einen wahnsinnig großen Einfluss auf Wissenschaft und Forschung haben.

Raumstation ISS im Orbit um die Erde
Abbildung 3: International Space Station (ISS)

So sollen sich zum Beispiel Zellen besser in den Bedingungen, die in der Erdumlaufbahn herrschen, zu Organen formen können. Versuche mit Techniken wie dieser müssen normalerweise auf der ISS durchgeführt werden. Private Einrichtungen wie das Orbital Reef erleichtern für Unternehmen den Zugang zu den außergewöhnlichen Testbedingungen des Weltraums, indem sie die Kosten für Versuche im All senken.

Abschließende Gedanken zur Privatisierung der Raumfahrt

In meinen Gedanken bin ich zerrissen darüber, ob ich mich über die neue Dynamik in der Raumfahrt freuen soll. Auf der einen Seite begeistert mich die Geschwindigkeit, in der es private Unternehmen schaffen, technische Innovationen umzusetzen. Auch die Erkundung des Weltalls und die Wissenschaft, die dadurch gefördert wird, begeistern mich. Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahren einer privatisierten Raumfahrt: Wer legt die Grenzen für die Privatisierung des Weltalls fest? Wer sorgt dafür, dass die Unternehmen nicht ihre Verantwortlichkeiten vernachlässigen?

Es gibt noch so viele Fragen, die in naher Zukunft geklärt werden müssen, um eine Privatisierung des Alls zu regulieren, ohne dabei die Kontrolle über den wachsenden Markt zu verlieren. Dennoch stehe ich dem Ganzen positiv gegenüber. Private Raumfahrtunternehmen sorgen dafür, das All zugänglicher zu machen. Nicht nur für Tourist*innen, sondern eben auch für Forscher*innen und Wissenschaftler*innen, für Menschen mit großen Vision und Ideen, von welchen die gesamte Erde profitieren kann. Am Ende stellt sich ohnehin nicht die Frage, ob eine Privatisierung der Raumfahrt stattfindet, sondern wie staatliche Autoritäten die Privatisierung regulieren.

Textquellen
  • Viele Deutsche wollen Fußball-EM statt Mondlandung gucken (Der Tagesspiegel)
  • Virgin Galactic space flight tickets to start at $450,000 (BBC)
  • Der schmutzige Weg zum Mars (Zeit Online)
  • Draft Environmental Assessment for SpaceX Falcon Launches at Kennedy Space Center and Cape Canaveral Air Force Station (Federal Aviation Administration)
  • Weltraumtourismus – Den höchsten Preis bezahlt die Umwelt (ARD alpha)
  • Weltraumtourismus: Jetzt will Jeff Bezos auch ein Hotel im All bauen (Merkur)
  • Development of advanced 3D organ culture system utilizing microgravity environment (JAXA)
  • Space Debris and Human Spacecraft (NASA)
  • Space debris by the numbers (ESA)
  • Rasende Geschosse im All (Spiegel)
Bildquellen