Studentenleben

Crossfit – Erfahrungsbericht eines Normalsterblichen

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Crossfit – Erfahrungsbericht eines Normalsterblichen

Eines vorweg: Ich weiß, die Rubrik heißt „Studentenleben“. Und ich bin schon seit fast 20 Jahren kein Student mehr. Aber meine Trainerin ist Studentin, und manche von denen, die gemeinsam mit mir trainieren, sind es auch. Also denke ich, dass so ein Erfahrungsbericht durchaus in diese Kategorie passen könnte. Und sei es nur, um die Neugier derer zu befriedigen, die schon immer mal wissen wollten, was so ein Prof eigentlich in seiner Freizeit treibt. Ein Beitrag von Erik Zenner.

Was ist Crossfit?

Crossfit ist ein ganzheitliches Fitnesstraining, das zum Ziel hat, alle Bereiche der körperlichen Leistungsfähigkeit zu trainieren: Kraft und Ausdauer, Motorik und Beweglichkeit, Schnelligkeit und Belastbarkeit. Dazu benutzt es einige einfache Beobachtungen:

  • Die meisten Menschen trainieren besser, regelmäßiger und mit Spaß an der Sache, wenn sie es in kleinen Gruppen tun.
  • Gerade beim Umgang mit Gewichten und beim Erlernen neuer Bewegungsabläufe ist es sehr hilfreich, einen Trainer in der Nähe zu haben.
  • Wenn es darum geht, die Fitness im Alltag zu verbessern, sollte man auf abwechslungsreiches, funktionelles Training setzen.

Und entsprechend ist so ein Crossfit-Training auch aufgebaut. Man trainiert in kleinen Gruppen (max. 10 Personen und ein Trainer), die sich gegenseitig motivieren und unterstützen. Und auch wenn der grundlegende Ablauf immer der gleiche ist (Aufwärmen, Techniktraining, Intensivtraining, Stretching), stehen doch jeden Tag andere Übungen auf dem Programm. Diese Übungen beanspruchen meist den ganzen Körper. Hier gibt es keine Trainingsmaschinen für einzelne Muskelgruppen, sondern eine Mischung aus Turnen, Körpergewichtstraining, Gewichtheben und Ausdauersport.

Bei ‚Toe to Bar‘ müssen die Füße die Reckstange berühren. Klingt leichter, als es ist.

Soll ich das wirklich machen?

Ich kannte Crossfit schon seit einigen Jahren aus den Medien, und ich wusste auch, dass Anfang 2017 eine „Box“ (so heißt ein Crossfit-Trainingscenter) in Ortenberg aufgemacht hatte. Aber damals dachte ich noch, was wohl viele Leute im ersten Moment denken: Das ist nur was für die Fitness-Tiere, die vorher schon 20 Klimmzüge hinkriegen und die 10 Meter Handstandlaufen für eine Aufwärmübung halten.

Was natürlich Quatsch ist. Richtig ist, dass die besten Crossfitter tatsächlich zu den durchtrainiertesten Menschen der Welt gehören (wer sich überzeugen will, sucht mal bei Youtube nach „Mat Fraser“ oder „Katrin Davidsdottir“ und lässt sich ein bisschen frustrieren).  Aber wer käme schon ernsthaft auf die Idee, gar nicht erst Fußball zu spielen, nur weil er wohl nie so kicken wird wie Ronaldo?

Eben. Wenn man danach sucht, findet man nämlich auch ganz andere Beispiele von Leuten, die sich so gut wie gar nicht mehr bewegen konnten und die durch Crossfit-Training wieder ins Leben zurückgefunden haben (z.B. nochmal Youtube: „I am Ivan“). Tatsächlich ist Crossfit nämlich in hohem Maße individuell: Zwar machen alle die gleichen Übungen, aber der Schwierigkeitsgrad wird an die eigene Leistungsfähigkeit angepasst. Auf diese Weise lässt sich jede Übung nahezu beliebig skalieren – von „Rehaprogramm“ bis hin zu „übermenschlich“.

Beim ‚Thruster‘ wird die Hantel aus der Kniebeuge über den Kopf gebracht.

Ach was soll’s, ich probier’s!

Als ich Anfang des Jahres nach einem neuen Sport gesucht habe, ist mir die Ortenberger Box (www.crossfitortenberg.de) wieder eingefallen. Und es waren vor allem pragmatische Gründe, die mich dazu bewogen haben, es dort mal zu versuchen:

  • Die Box ist nah an der Hochschule – gerade 12 Minuten mit dem Fahrrad oder 5 Minuten mit dem Auto.
  • Das Training ist kurz (1 Stunde) und wird fast den ganzen Tag über angeboten, weshalb es sich immer irgendwie noch in den Terminkalender schieben lässt.
  • Man muss sich vorher anmelden, was bei mir die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass ich auch hingehe.
  • Es gibt einen Trainer und man trainiert in Gruppen, was mir mehr Spaß macht und auch meinen Einsatz während des Trainings verbessert.

Also habe ich Anfang März meinen inneren Schweinehund überwunden und mich für ein Probetraining angemeldet. Und ich muss zugeben, dass ich von der ersten Übungseinheit an begeistert war. Natürlich konnte ich mit den Cracks, die da teilweise unterwegs waren, nicht mal ansatzweise mithalten, aber das war auch gar nicht mein Ziel. Mein Ziel war es einfach, fitter zu werden und zu sehen, was für mich – meinen Körper in meinem Alter – möglich ist.

Ich vergleiche mich daher ausschließlich mit mir selbst: mit mir selbst vor einigen Wochen oder Monaten, aber auch damit, was ich glaube, selbst noch erreichen zu können. Besonders freut es mich, wenn ich etwas schaffe, was ich zuvor noch nie hinbekommen habe. Das kann ein Gewicht sein, das ich noch nie bewegt habe, aber auch Bewegungen, die mir noch nie gelungen sind: ein Handstand beispielsweise, eine Übung an den Ringen oder ein Sprung aus dem Stand auf eine 60 cm hohe Kiste.

Auf der Tafel findet sich das Programm für das jeweilige Training.

Und – schon abgenommen?

Nun leben wir ja im Zeitalter des Quantified Self, in dem viele Menschen nicht mehr wirklich in ihren Körper hineinhören, sondern stattdessen versuchen, irgendwelche Messwerte zu verbessern. Sie neigen dann dazu, ein niedrigeres Gewicht mit höherer Fitness zu verwechseln, definieren ihre Sportlichkeit über die Schrittzahl, die ihnen ihr Fitnesstracker ermittelt hat, oder optimieren ihre 10.000-Meter-Zeit bis zum Exzess. Da ich das aber für die falsche Herangehensweise halte und die Vermessung des Menschen sowohl aus philosophischen als auch aus Datenschutzgründen ablehne, könnte ich jetzt aber gar keine Kennzahlen  anführen, um den Trainingserfolg der letzten fünf Monate zu quantifizieren.

Ich merke aber natürlich im Training selbst, an wie vielen Stellen ich besser geworden bin, und auch im Alltag gibt es eine Reihe von Verbesserungen. So sind die Verspannungskopfschmerzen, mit denen ich zuvor fast vier Jahre lang zu kämpfen hatte, schon seit dem ersten Training weitgehend verschwunden. Meine Haltung hat sich verbessert, meine Schultern sind kräftiger geworden. Und beim Radfahren und beim Fußballspielen merke ich, dass ich ein höheres Tempo länger durchhalte.

Und jetzt? Jetzt blicke ich ja gerade mal auf 5 Monate Training zurück, habe aber natürlich vor, weiter am Ball zu bleiben (auch wenn es in diesem Fall eher ein Medizinball ist) und zu schauen, „was noch so geht“. Das Ziel ergibt sich dann einfach unterwegs, und ich bin eigentlich jetzt schon gespannt, wie der Vorher-Nachher-Vergleich nach einem Jahr ausfällt.

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