Studentenleben

„Work-Life-Balance“ und „Work-Life-Blending“ in der Medienbranche – eine kritische Auseinandersetzung

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„Work-Life-Balance“ und „Work-Life-Blending“ in der Medienbranche – eine kritische Auseinandersetzung

Was wäre, wenn jeder Tag unseres Lebens katalogisiert und festgehalten werden würde? Aus allem Erlebten würde ein persönliches Museum über uns errichtet werden. Nach unserem Ableben würden wir Führer in diesem Museum werden. Wenn wir nun die meiste Zeit unseres Lebens mit einer Arbeit verbringen, die wir nicht gerne ausführen, …

… dann ist auch das ganze Museum mit genau diesen nicht zufriedenstellenden Erinnerungen gefüllt. Wir würden auf Ewigkeit mit diesen unglücklichen Bildern, Videos und Ausschnitten konfrontiert werden und das erfüllte Privatleben würde nur einen kleinen Teil des Museums ausmachen.

Worum geht es überhaupt?

Arbeit ist der unangenehmere Teil der Lebenszeit und das Privatleben der erfreulichere Teil. Leider bestätigen viele Menschen auch heutzutage noch diese in den Raum geworfene Aussage. Doch es ist auch ein deutlicher Trend weg von dieser Behauptung zu beobachten.

Ich habe mich zu Beginn dieses Artikels mit dem Gedankenkonstrukt des amerikanischen Autors John Strelecky befasst. Das Beispiel aus seinem Buch „The Big Five For Life“ führt uns dem Thema sehr anschaulich nahe. Es zeigt uns, dass es nicht nur wichtig ist, welcher Arbeit wir nachgehen, sondern auch welchen Stellenwert und welche Zeit wir diesem Job zuteil werden lassen. Nicht umsonst werden die Modelle Work-Life-Balance und Work-Life-Blending diskutiert.

Sind Arbeit und Privatleben Gegenpole? Müssen sie sich auf der Waagschale gegenseitig austarieren? Wie können Unternehmen und Führungskräfte Mitarbeitende unterstützen und individuelle Voraussetzungen schaffen? Und inwieweit bringt schließlich Selbstbestimmtheit die beiden Modelle aus oder ins Gleichgewicht?

Work-Life-Balance

Dieser in der Gesellschaft doch recht populäre Begriff ist vielen Menschen bekannt, doch ihn hinsichtlich seiner Bedeutung zu definieren, würde vielen wahrscheinlich schwierig fallen. Auch in der Wissenschaft ist die Work-Life-Balance seit länger Zeit Gegenstand verschiedener Untersuchungen mit abweichenden Auslegungen. Deswegen wollen wir zu Beginn das Verständnis des Begriffes in diesem Artikel definieren.
Nähern wir uns dem Ganzen zunächst über die einzelnen Wortbestandteile, also ‚Work‘, ‚Life‘ und ‚Balance‘. Work kann man aus dem Englischen mit Arbeit übersetzen. Damit ist die Erwerbsarbeit gemeint. Life heißt Leben, in diesem Zusammenhang also alles außerhalb der Arbeit wie Familienleben, Freizeit, Erholung und so weiter.

Das Wort Balance bedeutet so viel wie ‚Gleichgewicht‘ oder ‚Ausgeglichenheit‘. Es wird dabei also das Bild einer Balkenwaage benutzt, welches impliziert, dass sich 50% der Gewichtung auf der einen und 50% der Gewichtung auf der anderen Seite befinden sollte. Da dies in der heutigen Arbeits- und Lebenswelt schwer möglich ist, wird die Bedeutung des Wortes nicht als striktes objektives Aufwiegen zweier Seiten, sondern als subjektiv angemessenes Verhältnis verstanden. Es entsteht also eine Spannung zwischen den zur Verfügung stehenden Ressourcen, die wenn sie für den einen Bereich eingesetzt werden, nicht mehr für den anderen verfügbar sind.

„Insgesamt bezeichnet Work-Life-Balance ein […]-Gebiet, welches unter diversen Fragestellungen die Qualität und das Verhältnis verschiedener Arbeits- und Lebensbereiche untersucht.“ [1]

Work-Life-Blending

Beim Work-Life-Blending handelt es sich um einen fließenden Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben – Arbeit und Leben werden ineinander „geblendet“. Die klare Zuordnung der Zeit ist durch aufgeweichte Grenzen der Bereiche nicht mehr möglich. Home-Office, mobile Arbeit und ständige Erreichbarkeit charakterisieren beispielsweise das Work-Life-Blending. In diesem Zusammenhang wird in deutscher Literatur auch oft der Begriff der „Entgrenzung der Arbeit“ verwendet.
„Ziel ist eine Verbindung zu schaffen, in der beide Welten optimal aufeinander abgestimmt sind, und so mehr Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer genommen wird.“ [2]

Gedanken zur Entstehung

Wie kommt es überhaupt dazu, dass es verschiedene Bereiche in unserem Leben gibt, beziehungsweise warum werden diese voneinander abgetrennt oder ineinander verwoben? Dazu würde ich gerne einen einfachen Vergleich zwischen Mensch und Maschine anführen. Maschinen werden häufig erschaffen, um eine spezifische Arbeit auszuführen. Sie haben uns gegenüber den Vorteil, in einer Sache richtig gut zu sein. Wir Menschen können uns hingegen vielen verschiedenen Situationen annehmen. Wir sind Allrounder mit einer großen Vielfalt, anders als eine Maschine mit perfektem Fokus.

Die anspruchsvolle und oftmals oberflächliche Gesellschaft hat mit der Zeit allerdings die Idee entwickelt, dass wir Menschen maschinenartige Eigenschaften besitzen sollten. Somit sollten wir möglichst viele Aufgaben schnell und präzise erledigen können. Sich aber nur auf eine Sache zu konzentrieren, hat seinen Preis und andere Bereiche leiden darunter. Es ist für jeden Menschen extrem schwierig, mit voller Energie auf der Arbeit präsent zu sein, sich um die Familie und Freunde zu kümmern, Sport zu treiben und gleichzeitig auch noch ein gepflegten Garten zu haben. Daraus entstand eine Diskussion über verschiedenste Work-Life-Modelle.

Die Modelle im Pro und Kontra

Work-Life-Balance

  • Förderung der Gesundheit
  • Klare Grenzen für zeitliche und familiäre Vorzüge
  • Trennung der Bereiche in „Gut und Böse“
  • Schwierige Kompatibilität mit modernen Arbeitsanforderungen

Work-Life-Blending

  • Fördert Flexibilität und Mobilität
  • Kreative Phasen lassen sich besser nutzen
  • Mögliche Selbstausbeutung und Leistungsdruck
  • Schwierigere Kontrolle der Arbeitszeit
Mehr dazu

Beginnen wir mit der Work-Life-Balance. Zu Beginn dieses Artikels wurde die Work-Life-Balance als ein Gleichgewicht definiert, bei dem Arbeit und Leben in einem subjektiv angemessenem Verhältnis stehen sollten. Es findet dabei aber eine Trennung der beiden Bereiche statt. Man muss also das Eine mit dem Anderen aufwiegen. Somit kann sehr schnell das Bild von Gut und Böse oder von Gut und Schlecht unterschwellig mitschwingen. Bei diesen Gegensätzen ist es schwierig, ein Gleichgewicht zu schaffen.
Ebenso lohnt es, nicht nur einen Blick auf das Aufwiegen zu richten, sondern auch auf die Dualität des Begriffes. Warum findet überhaupt eine Trennung statt? Ist „die Arbeit“ nicht ein Teil „des Lebens“? Grundsätzlich ist aber doch positiv anzumerken, dass es einen Ausgleich geben soll. Denn zu lange, zum Beispiel an einem Arbeitstag, zu arbeiten führt sicherlich nicht zum angestrebten Ziel.
Welche Bereiche gewiss profitieren, sind die Gesundheit des Arbeitnehmers und das betriebliche Gesundheitsmanagement – ausgeglichene Angestellte bringen viele Vorteile mit sich. Work-Life-Balance ermöglicht durch klare Vorgaben und Grenzen auch familiäre und zeitliche Vorzüge. Moderne Arbeitsanforderungen in unserer globalisierten Welt lassen sich allerdings immer schlechter mit der Work-Life-Balance vereinen. Schnelle Kommunikation(sfähigkeiten), Flexibilität und ein Arbeitseinsatz über den „Dienst nach Vorschrift“ hinaus werden benötigt.

Alles, was man liebt oder für das es sich zu kämpfen lohnt, bringt das Leben aus oder in die Balance.

Betrachten wir nun die Aufweichung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, das Work-Life-Blending. Im Voraus kann man sagen, dass dieses Modell sich am besten für Menschen eignet, die ihren Beruf als ihre Bestimmung sehen oder voll und ganz in ihrer Arbeit aufgehen. Viele sprechen auch davon, dass sich dann die Arbeit gar nicht mehr als Arbeit anfühlt, sondern gerne erledigt wird. Wichtig ist sicherlich, dass man eine hohe Selbstdisziplin besitzt und Kontrolle über die Zeit durch (Tages-)Pläne mit Priorisierung übernimmt. Vor allem in der wirklich freien Zeit abschalten und sich auch mal selbst zu belohnen machen dieses Work-Life-Modell langfristig erfolgreich.
Wie kein anderes Konzept ermöglicht das Work-Life-Blending perfekt die Möglichkeit zum Home-Office, da jederzeit von zu Hause aus zwischen Privat- und Arbeitsleben gewechselt werden kann. Gleichzeitig führt dies jedoch auch zur einer Verwässerung von Freizeit und Arbeit. Eine Studie zu diesem Thema hat gezeigt, dass circa 50 Prozent der Befragten ihre Arbeit nicht aus dem Privatleben heraus halten können, jedoch gleichzeitig 70 Prozent eine Trennung für wichtig empfinden. [3] Diese Studie legt eine eher schwierige Integration des Work-Life-Blendings in den Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer dar, denen das Konzept nicht liegt. Denn es stellen sich Fragen der Arbeitszeit und der Erreichbarkeit. Von wann bis wann wird gearbeitet und ist man nur in dieser Zeit oder auch noch darüber hinaus erreichbar? Dafür muss es vom Arbeitgeber klare Regelungen geben, die beide Seiten möglichst zufrieden stellen. Schnell kann es zur Selbstausbeutung, verbunden mit hohem Leistungsdruck, kommen. Da es keine direkte beziehungsweise schwierige Kontrolle der Arbeitszeit gibt, fällt dem Arbeitenden die verstrichene Zeit nicht auf oder er hat das Gefühl, ständig arbeiten zu müssen. Dies führt zweifellos zu keiner ausgewogenen Vermischung der Bereiche. Die steigende Arbeitszeit zieht außerdem eine gesundheitliche Belastung mit sich.
Weiterhin muss auch erwähnt werden, dass beim Blending eine Gegenseitigkeit vorhanden sein sollte. Genauso wie in der Freizeit Arbeit erledigt wird, so darf auch während der Arbeit das Private Einzug halten. Wenn also der Arbeitnehmer das private Handy zückt oder privat im Internet surft, so darf das den Arbeitgeber nicht stören.
Weitere positive Effekte sind zum Beispiel geringere Fehlzeiten, da negative Umstände wie etwa Hierarchien, Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen oder Konflikte umgangen oder vereinfacht werden können. Des Weiteren steht dem Arbeitnehmer und seiner Familie eine bessere Planungssicherheit für die nächsten Jahre zur Verfügung, da er weiß, dass er flexibel auf zukünftige Ereignisse reagieren kann. Außerdem lassen sich durch das Work-Life-Blending kreative Phasen, wenn sie mal wieder an einem unpassenden Ort oder außerhalb der normalen Arbeitszeit in den Kopf drängen, besser nutzen. Schließlich lässt sich sagen, dass Work-Life-Blending, richtig eingesetzt, Digitalisierung, Flexibilität und Mobilität wesentlich erleichtert.

Die Medienbranche

In der Medienbranche gibt es, wahrscheinlich aufgrund der kreativ ausgeprägten Ader, viele verschiedene Arbeits- und Zeitmodelle. Obwohl die Work-Life-Balance eine gut anzuwendende Option darstellt, sprechen in diesem Wirtschaftsbereich viele Punkte für das Work-Life-Blending. Oft ist zu beobachten, dass projektbezogen und in Teams gearbeitet wird. Für das Endergebnis gibt es meistens einen Stichtag und bis zu diesem muss die Arbeit erledigt sein. Wann und wie das passiert, hängt von den Verantwortlichen ab.

Egal ob internationale oder nationale Projekte, es sollte immer möglichst effizient kommuniziert und gearbeitet werden. Es ist nicht immer realisierbar um 17 Uhr Feierabend machen zu können, sondern individuelle Abstimmungen sind nötig. Nach einer arbeitsintensiven oder sehr belastenden Phase kann dann die Arbeit auch mal etwas lockerer oder ausgeglichener angegangen werden.

Ein weiterer Vorteil der Medienbranche ist, dass oft digital und online gearbeitet und sich ausgetauscht wird. Diese Gegebenheiten, verbunden mit Software und verschiedenen Tools, lassen einen von überall aus und nicht im Büro arbeiten.
Die Generation Y ist gegenüber freieren Modellen aufgeschlossen. Der Arbeits- oder Leistungsdruck im Bereich Medien ist hoch, da beispielsweise Filmminuten in der Produktion teuer sind oder Verlage und Nachrichtensender Infos schnell verbreiten müssen. Aus diesem Grund sind unterschiedliche Erholungsmodelle unabdingbar, denn ansonsten droht nach einiger Zeit ein Burn-out.

Fazit

Der Diskurs über Work-Life-Balance und Work-Life-Blending hat einige Fragen aufgeworfen. Arbeit und Privatleben sind ganz klar keine Gegenpole! Eine Abgrenzung ist schwachsinnig, da die Arbeit ein Teil des Lebens ist, genauso wie andere Bereiche. Daher muss mit Work-Life-Modellen keine Abgrenzung geschürt, sondern eine Vereinbarkeit angestrebt werden. Manche Menschen müssen sich auf „der Waagschale“ selbst austarieren und bei anderen funktioniert dies automatisch in Anbetracht ihrer Verbundenheit zum Beruf.
Generell sind beide Work-Life-Modelle dazu vorgesehen, den Mitarbeitenden entgegenzukommen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu ermöglichen oder zu vereinfachen. Dadurch wird den Arbeitnehmern die Wertschätzung des Unternehmens entgegengebracht und sie werden gleichzeitig stärker an das Unternehmen gebunden. Dies schafft einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Anderen, steigert die Zufriedenheit und verringert die Fehlzeiten der Mitarbeiter. Besonders beim Work-Life-Blending fühlen sich die Arbeitnehmer ernst genommen, da sie selbst flexibel über ihre Arbeitszeit entscheiden können. Das wirkt sich auf ihre Produktivität und Motivation aus und ermöglicht eine größere Selbstbestimmung. Damit einhergehend muss aber auch eine hohe Selbstdisziplin verbunden sein.
Letztlich braucht es eine ehrliche Debatte über das Thema der Work-Life-Balance, des Work-Life-Blendings und weiteren Modellen. Die Menschen und ihre Werte entwickeln sich immer weiter. Ein Kernpunkt ist jedoch, dass bestimmte Berufe nur sehr schwer oder gar nicht mit solchen Modellen kompatibel sind. Dies darf nicht durch wohlklingende Wunschbilder verschleiert werden. Des Weiteren müssen die Menschen versuchen ihr Leben selbst zu designen und sich ihr passendes Modell auszusuchen. Sie müssen selbst „Gleichgewicht“ in ihr Leben bringen, denn sonst übernimmt dies ein Anderer (das Unternehmen oder die Politik). Führungskräfte müssen sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden. Sie haben das Zepter in der Hand für ihre Mitarbeiter eine Balance zu schaffen. In dieser Hinsicht sind Work-Life-Modelle auch klar in der Führung mit verankert. Außerdem muss der Zeitraum, in den man die persönliche Ausgeglichenheit trägt, erweitert werden. Dies bedeutet, dass die Arbeitszeit nicht auf einen Tag, sondern auf eine Woche oder einen Monat oder ein Jahr diskutiert werden muss. Doch auch hier ist aufzupassen: Es sollte nicht das Prinzip gelten: „Nach der Pensionierung habe ich noch genügend Zeit“. Die Balance muss in die Gegenwart transferiert werden.

Mittlerweile finden sich bei den jungen Generationen auch neue Entwicklungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Viele jagen nicht mehr dem Geld nach, sondern opfern Gehaltseinbußen für mehr private Freiheiten und werden dadurch reicher. Schließlich werden sicherlich wieder neue Generationen heranwachsen, die sich wieder neue Arbeitsweisen und Modelle aussuchen, die dann wieder kritisch hinterfragt werden können.