Online-Glücksspiel boomt – auch auf Livestreaming-Plattformen wie Twitch. Doch viele Streamer*innen betreiben nicht nur selbst vor Tausenden von Zuschauer*innen Glücksspiel, sondern werben auch dafür und erhalten hierbei sogar Partnerschaften mit Online-Casinos. Das kann gravierende Folgen haben für die oft minderjährige Zuschauerschaft. Fühlen sie sich durch ihre Vorbilder motiviert selbst zu spielen, ist Glücksspielsucht eine drohende Folge. Dadurch tragen entsprechende Influencer*innen eine große Mitschuld an dieser Sucht. Was genau steckt hinter dem Phänomen Glücksspiel und welche Rolle spielen hierbei auch Videospiele?
Warum ist die Ausübung von Glücksspiel so gefährlich?
Glücksspiel ist seit langer Zeit ein bekanntes Problem in der Gesellschaft, besitzt dennoch gleichzeitig für viele eine gewisse Anziehungskraft. So gibt es zahlreiche große Casinos überall auf der Welt und ganze Städte wie beispielsweise die Stadt Las Vegas, die sich dem Motto Glücksspiel verschrieben haben.
Im Jahr 2022 nahmen beispielsweise 40 % der Deutschen ein oder mehrere Male an Glücksspiel teil. Dabei sind allein in Deutschland laut Statistiken rund 430.000 Personen von einer Glücksspielsucht oder zumindest einem problematischen Glücksspielverhältnis betroffen. Dieses Schicksal widerfährt besonders oft jungen männlichen Erwachsenen.
Die Folgen von Glücksspielsucht sind gravierend. So rutschen Betroffene nicht nur in eine monetäre Abwärtsspirale, sondern leiden oft zudem psychisch unter ihrer Sucht. Auch im sozialen Umfeld kommt es oft zu schwerwiegenden Folgen wie ein Arbeitsplatzverlust oder Konflikte in der Familie und im Freundeskreis.
Tipp: Hier bekommst du Hilfe bei Glücksspielsucht
Wenn du von Glücksspielsucht betroffen bist, besuche die Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter bzga.de/service/infotelefone/gluecksspielsucht oder rufe direkt die kostenfreie Servicenummer 0800 1 37 27 00 an, um einen Beratungstermin zu erhalten!
Online-Casinos auf Livestreaming-Plattformen
Besonders Online-Glücksspiel erreichte in den letzten Jahren immer wieder Rekordzahlen. Auch Online-Livestreaming-Plattformen und darauf Content produzierende Influencer*innen beteiligen sich an diesem Trend. Bis Oktober 2022 war beispielsweise auf der größten Livestreaming-Plattform Twitch die Kategorie Slots (Spielautomaten) einer der Beliebtesten überhaupt und erreichte im August 2022 sogar über 50 Millionen geschaute Stunden.
Dann im Oktober verabschiedete Twitch neue Richtlinien zum Thema Glücksspiel, welche dieses auf der Plattform zwar nicht verboten, allerdings deutlich einschränkten. So ist seitdem beispielsweise das Streamen von Glückspielseiten untersagt, die nicht in den USA lizenziert sind. Betroffen ist davon mit Stake auch eine der bekanntesten Gambling-Partner auf Twitch. Genauere Informationen zu diesen Änderungen sind im folgenden Tweet zu finden:
Wenn du noch mehr über Twitch erfahren möchtest, schaue dir diesen Beitrag an:
Auch im Jahr 2023 ist Glücksspiel noch immer ein relevanter Bestandteil des Contents auf Twitch. Die Kategorien Virtual Casino, Poker und Slots erfreuen sich weiterhin an Beliebtheit. Große Kanäle sowohl in Deutschland als auch international, streamten oder streamen noch immer Glücksspiel Content für tausende von Zuschauer*innen.
Die Problematik dahinter: Viele Zuschauer*innen sehen ihren Idolen beim Glücksspiel zu und werden dadurch motiviert, selbst einmal diese Glücksspiel-Plattformen zu besuchen. Teilweise lässt sich zumindest ein eingeblendeter Disclaimer zur Suchtgefahr von Glücksspiel während des Streams finden. Gleichzeitig haben viele Streamer*innen auf Twitch eine sehr junge, zum Teil sogar minderjährige Community, die sich ohne Einschränkung diese Inhalte anschauen können und sich die Streamer*innen zum Vorbild machen.
Einige der Influencer*innen, die solchen Content produzieren, haben zusätzlich eine Partnerschaft mit bestimmten Casinos und werben für Sonderaktionen mit eigenen Rabattcodes oder Ähnlichem. Sie fordern hiermit also aktiv ihre Community dazu auf, auch mit dem Glücksspiel auf den Websites der jeweiligen Online-Casinos anzufangen. Dadurch werden aktiv Jugendliche und junge Erwachsene dem Glücksspiel und dessen Gefahren ausgesetzt, ohne auf das entstehende Suchtpotenzial aufmerksam zu machen. Viele junge Fans nehmen diese Empfehlung ihrer Idole wahr, ohne sich dem Risiko dahinter genügend bewusst zu sein.
Streamer*innen, die durch Glücksspiel in ihrem Livestream auffielen
Knossi
Jens „Knossi“ Knossalla wurde durch das Streamen von Slot Maschinen in Online-Casinos zu einem der größten deutschen Influencer dieser Plattform. Highlights seiner größten Gewinne fanden zu dieser Zeit sogar den Weg auf seinen YouTube Kanal. Anfang 2021 verkündete er gegenüber seinen Zuschauern in einem Statement allerdings, künftig davon Abstand zu nehmen.
MontanaBlack88
Auch der Streamer Marcel „MontanaBlack88“ Eris, der lange Zeit die Nummer eins auf Twitch in Deutschland und 2019 sogar der Welt war, vergrößerte seine Community stark durch das Spielen von Slot Maschinen im Livestream. Ähnlich wie sein Kollege Knossi zeigt er aber ebenso keine Casino-Inhalte mehr in seinem Livestream.
xQc
Der zweitgrößte Influencer der Plattform, der Kanadier Félix „xQc“ Lengyel, streamte im Jahr 2022 ebenfalls regelmäßig Slots auf seinem Kanal und erreicht damit Zuschauer*innen im Millionenbereich. Mittlerweile findet dieser Content auf seinem Kanal ebenfalls keinen Platz mehr, allerdings lassen sich auf YouTube noch zahlreiche Highlights seiner Casino-Streams finden. Diese wurden aber meist von Fankanälen hochgeladen.
Kick – Die unmoralische Alternative zu Twitch
Der US-amerikanische Streamer Tyler Niknam, besser bekannt unter dem Namen „Trainwreckstv“ gründete im November 2022 auf Grund der neuen Richtlinien von Twitch sogar mit Unterstützung des bereits genannten Online-Casino Stake eine eigene Livestreaming-Plattform. Diese trägt den Namen Kick und soll in Zukunft Twitch Konkurrenz bieten. Auf dieser Plattform gibt es kaum Einschränkungen zum Thema Glücksspiel, das Streamen von diesem ist ohne Einschränkungen erlaubt.
Bereits einige größere Streamer*innen aus dem internationalen sowie deutschen Bereich wechselten zu dieser Plattform, um hier ihre Glücksspiel-Inhalte für ihre teilweise sehr junge Community weiter zu produzieren. Beispiele sind die deutschen Streamer OrangeMorange und Scurrows oder der Schwede Roshtein.
Gambling in Videospielen
Neben offensichtlichem Glücksspiel in Online-Casinos, die als Content verbreitet werden, gibt es auch in gängigen Videospielen Konzepte, die sehr stark auf Glücksspiel beruhen. Die populärsten Beispiele sind hier das Fußball-Simulationsspiel FIFA und der First Person Shooter Counter Strike: Global Offensive (CS:GO).
So funktioniert Glücksspiel in FIFA
In FIFA gibt es die Möglichkeit Packs zu öffnen, entweder im Austausch gegen eine innerhalb des Spiels erhältliche In-Game-Währung oder mit den sogenannten FIFA-Points. Diese FIFA-Points sind nur gegen Bezahlung mit Echtgeld erhältlich, dadurch allerdings auch sehr leicht zu bekommen. In den Packs ist es möglich, Spielerkarten mit unterschiedlichen Werten und Seltenheitsgraden zu ziehen. Man zahlt also echtes Geld in das Spiel ein und bekommt hierfür Punkte. Mit diesen lassen sich dann die Packs öffnen, aus denen man zu bestimmten Wahrscheinlichkeiten bessere oder schlechtere Spielerkarten ziehen kann. Die erhaltenen Karten können anschließend auf einem spielinternen Marktplatz gegen In-Game-Währung verkauft werden.
Bei Deutschlands größten Streamer*innen und auch deren Zuschauerschaft ist FIFA und besonders das stundenlange Öffnen dieser Packs sehr beliebt. Einer der größten Twitch-Streamer, Maximilian „Trymacs“ Stemmler, öffnete beispielsweise zur Veröffentlichung des neuen Titels FIFA 23 nach eigenen Aussagen für über 20.000 Euro Packs.
In einem Statement-Video kündigte er allerdings Mitte Oktober 2022 an, keine Packs in FIFA mehr zu öffnen und dies somit auch nicht mehr als Content zu nutzen. Als Begründung gab er hier zum einen an, junge Leute nicht zum Glücksspiel animieren zu wollen. Zum anderen möchte er seine vorwiegend minderjährige Community schützen, da sic der Konsum von Glücksspiel-Inhalten negativ auf die Entwicklung dieser auswirken kann.
Auch in Counter Strike: Global Offensive gibt es ein ähnliches System in Form von Waffenkisten.
So funktioniert Glücksspiel in CS:GO
Hier kann man statt Packs Kisten öffnen, in denen sich benutzerdefinierte Texturen optischer Natur, genannt Skins, für spielbare Waffen finden lassen. Diese Skins kommen in verschiedenen Seltenheitswerten daher und lassen sich, im Gegensatz zu den Karten bei FIFA, für Echtgeld verkaufen. In einigen Fällen befinden sich die Preise für besondere Sammlerstücke unter diesen Skins sogar im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Hier herrscht also ein noch größerer finanzieller Anreiz.
Erst im März 2023 entdeckte Streamer MontanaBlack88 dieses System für sich und öffnete vor Tausenden von Leuten live Kisten für hohe Geldsummen. Da Counter Strike eines der beliebtesten Videospiele auf ganz Twitch ist, ist dies kein Einzelfall. Auch andere Streamer*innen mit großen Zuschauerzahlen, besonders im internationalen Raum, öffnen häufig in ihren Livestreams solche Kisten.
Die Hauptgefahr: junge Zuschauer
Wie mehrfach bereits angesprochen ist vor allem die Zielgruppe der Streamer*innen und Influencer*innen ein riesiges Problem.
Ca. 75% der Zuschauenden auf Twitch sind zwischen 16 und 34 Jahre alt. Allerdings gibt es auch durchaus noch jüngere Konsument*innen, denn offiziell ist das Erstellen eines Twitch-Accounts ab 13 Jahren erlaubt. Auf Twitch sind viele Streams für minderjährige Zuschauer*innen also jederzeit frei verfügbar, Altersbeschränkungen sind durch das Angeben von falschen Geburtsdaten leicht zu umgehen. Auch auf der neuen Streaming-Plattform Kick ist dies nicht anders.
Laut Studien sind minderjährige Personen in Sachen Glücksspiel besonders gefährdet, was an erhöhter Risikobereitschaft und leichterer Beeinflussbarkeit liegt. Wenn Jugendliche in diesem Alter demnach mit Glücksspiel in Kontakt kommen, kann dies eine ungesunde Beziehung hervorrufen. Aber auch junge Erwachsene werden durch die dauerhafte Konfrontation mit Inhalten dieser Art deutlich stärker zum Spielen verleitet. Die schweren Folgen von Glücksspielsucht, besonders in den finanziellen, psychischen und sozialen Bereichen, sind hierbei die verheerendste Problematik.
Fazit
Glücksspiel ist besonders auf Twitch ein größeres Problem und wird dort von einigen der größten Streamer*innen praktiziert und für eine große Zuschauerschaft live zugänglich gemacht. Noch problematischer wird es, wenn aktiv dafür geworben wird, mit dem Ziel die eigenen Zuschauer*innen selbst zum Spielen auf den Plattformen zu verleiten. Zusätzlich ist ein Teil der Zielgruppe vieler Streamer im jungen Erwachsenenalter oder sogar minderjährig und entwickelt hierdurch eine unverhältnismäßige Einstellung zum Glücksspiel. Hier sollten sich die betroffenen Influencer*innen ihrer Vorbildsfunktion bewusst sein und ihre Inhalte überdenken.
Auch die Plattformen wie Twitch oder auch Kick sollten dieses Problem noch stärker angehen und so gut wie möglich verhindern, dass minderjährigen Fans der Konsum von Glücksspielinhalten möglich gemacht wird.
Textquellen
Bundesdrogenbeauftragter – Online-Glücksspiel
BZgA – Glücksspielsucht
ComputerBILD – Twitch: Zahlen & Statistiken
Cryptomonday – Jede relevante Spielsucht-Statistik 2023: Glücksspielsucht
CS-Scene – Waffenkisten
EA – Was sind FUT-Packs
ingame – Twitch Casino-Verbot
ingame – Trymacs: Verprasst Wert eines Kleinwagens in FIFA 23
Median-Kliniken – Folgen von Glücksspielsucht
MeinMMO – Größter Streamer Deutschlands
MeinMMO – Twitch-Streamer schockiert Zuschauer mit Glücksspiel-Einsätzen
OMR – Das Anti-Twitch: Kick.com
Twitch – Durchsuchen
Twitch – Nutzungsbedingungen
TwitchStats – Sub count
TwitchTracker – Slots
Vertrauen.Blog – Jugendschutz beim Glücksspiel
WochenKurier – Die Zukunft des Glücksspiels im Jahr 2023