Studentenleben

Das Einmaleins der Therapeutensuche

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Das Einmaleins der Therapeutensuche

Jeder kennt diese Tage: Alles fällt plötzlich schwer, die WhatsApp-Nachrichten bleiben unbeantwortet, die Motivation für all die Dinge, die man mag, fehlt. So etwas kommt vor und geht häufig schnell vorbei. Aber was, wenn sie nicht einfach vorbeigehen? Dann ist es Zeit für professionelle Hilfe.

Zugegeben: Sich einzugestehen, mit dem eigenen Leben überfordert zu sein, macht keinen Spaß. Psychische Erkrankungen sind nach wie vor stigmatisiert, wer sich Hilfe sucht, gilt als schwach, wer offen darüber redet, wird häufig beschuldigt, nur Aufmerksamkeit zu wollen. Doch wer betroffen ist, leidet unter den Symptomen und der Erkrankung immens – die Vorurteile machen es nicht leichter.

Therapeut, Psychologe, Therapie.. Hä?

Die meisten Menschen nutzen das Wort ‚Psychologe‘ synonym zu Therapeut. Dies ist jedoch nicht so ganz richtig. Um die Begrifflichkeiten, die auch im Folgenden verwendet werden, zu klären, ist hier eine kleine Übersicht:

  • Ein Psychologe ist jemand, der Psychologie studiert hat.
  • Ein Psychotherapeut ist ein Psychologe oder Arzt, der nach seinem Studium eine Therapieausbildung absolviert hat. Hier erfolgen Gesprächstherapien und ähnliche Therapien.
  • Ein Psychiater hat Medizin studiert und eine psychiatrische Weiterbildung absolviert. Er ist auch der Einzige, der Psychopharmaka und ähnliche Medikamente verschreiben darf.

Oft, aber nicht immer, ist ein Therapeut auch ein Psychiater und darf Medikamente verschreiben, gelegentlich ist jedoch ein externer Arzt dafür notwendig.

Brauche ich überhaupt Hilfe?

Der Schritt, zum Therapeuten zu gehen, ist für viele Menschen gruselig. Verständlich. Deshalb denken viele Menschen, auch allein damit zurecht zu kommen und überhören womöglich wichtige Warnzeichen ihres Körpers. Ihr könnt euch beispielsweise an die psychologische Beratungsstelle des Landratsamtes wenden, die in Offenburg, Lahr und Kehl Stellen hat. Auch das Studierendenwerk besitzt eine psychologische Beratungsstelle. Hier könnt ihr bis zu vier kostenlose Termine in Anspruch nehmen, danach kostet jede weitere Beratung einige, wenige Euro. Vor allem wenn keine Therapie zwingend benötigt wird, ihr aber dennoch mit jemandem sprechen möchtet, der ein Fachmann auf dem Gebiet ist, sind psychologische Beratungsstellen eine gute, erste Anlaufstelle. Diese kann euch auch bei der Suche nach einem Therapieplatz unterstützen. Auch könnt ihr euren Hausarzt hinzuziehen oder zum Psychiater gehen. Dazu gibt es mehr Infos im nächsten Abschnitt.

Ich soll und will zur Therapie – was nun?

Wer sich für eine Therapie entscheidet, sollte im Vorhinein ein paar Dinge beachten. Als Erstes wird der passende Therapieansatz ermittelt. In Deutschland werden drei Therapieansätze von der Krankenkasse übernommen:

  • Psychoanalyse
  • Verhaltenstherapie
  • Tiefenpsychologische Therapie

Welcher Ansatz für euch infrage kommt, klärt ihr am Besten bei einem Psychotherapeuten oder einem Psychiater. Dafür könnt ihr die kassenärztliche Vereinigung hinzuziehen oder bei eurer Krankenkasse anfragen. Damit fangt ihr noch keine Therapie an – in der Regel ist es ein unverbindliches Gespräch bei einem Psychotherapeuten, mit dem ihr im Rahmen einer regulären Sitzung klärt, welcher Therapieansatz für euch am geeignetsten ist. Dies hängt stark von eurem Krankheitsbild und Symptomen ab und ist sehr individuell.

Ausschlaggebend ist neben dem richtigen Therapieansatz auch ein Therapeut, der zu euch passt. Ein Therapeut ist nicht wie ein Arzt – ihr müsst euch bewusst sein, dass ihr dieser Person all eure Ängste, Probleme und Sorgen anvertrauen werdet! Deshalb ist es besonders wichtig, dass ihr ein gutes Gefühl habt, wenn ihr die Therapiesitzungen in Anspruch nehmt. Um das herauszufinden, ermöglicht eure Krankenkasse euch, bis zu fünf Probesitzungen in Anspruch zu nehmen. So habt ihr Zeit, um mit eurem Therapeuten warm zu werden und zu entscheiden, ob ihr eine Therapie beginnen möchtet.

Ist dieser Schritt geschehen und ihr habt euren Therapeuten gefunden, wird er mit euch einen Antrag bei der Krankenkasse stellen, um ein Kontingent an Therapiestunden zu bekommen. Wie viele das sind, hängt von verschiedenen Faktoren und natürlich eurer Krankenkasse ab. Sich bei dieser im Vorhinein zu informieren kann hilfreich sein, da bei manchen Kassen nach einer bestimmten Zeit ein Gutachten erfolgen muss, das weitere Therapiestunden rechtfertigt.

Und wie findet man einen Therapeuten?

Therapieplätze sind vielerorts rar, die Wartelisten sind lang. Deshalb haben wir ein paar Tipps, womit es eventuell ein bisschen schneller geht:

  • Die kassenärztliche Vereinigung hat eine Liste, auf der Therapeuten mit freien Kapazitäten gemeldet sind. Ein einfacher Anruf bei der KV genügt und ihr bekommt Telefonnummern und Namen. Jedoch müsst ihr hierfür unbedingt vorher wissen, welcher Therapieansatz erfolgen soll.
  • Bezieht euren Hausarzt mit ein. Eventuell arbeitet euer Hausarzt mit einem Therapeuten zusammen oder weiß von Therapeuten, die freie Kapazitäten haben. Außerdem ist es sinnvoll, bei Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Ähnlichem, körperliche Ursachen auszuschließen.
  • Auch eure Krankenkasse hat eventuell Namen und Adressen von Therapeuten mit freien Kapazitäten.
  • Ein Besuch beim Psychiater kann ebenfalls sinnvoll sein, da diese häufig eng mit Therapeuten vernetzt sind und euch so eventuell weiterhelfen können. Außerdem kann ein Psychiater eine Erstuntersuchung vornehmen und erste Verdachtsdiagnosen äußern. Ebenso klärt ein Psychiater weitere Fragen mit euch: Ist eine stationäre Therapie sinnvoll? Gibt es vielleicht körperliche Faktoren, die vorher näher unter die Lupe genommen werden sollen?
  • Auf eigene Faust. Wälzt Internet und Telefonbuch, ruft verschiedene Therapeuten an und fragt nach. Nicht alle sind immer bei der kassenärztlichen Vereinigung gemeldet.
  • Ausbildungsinstitute für Psychotherapeuten bieten häufig Erstuntersuchungen an, können selbst Therapien durchführen oder euch an niedergelassene Therapeuten weitervermitteln.

Die wollen mich doch nur mit Pillen ruhigstellen!

Wenige Themen werden so kontrovers behandelt wie das Thema Psychopharmaka. Wo die einen dahinter eine Wunderpille vermuten und andere Angst haben, dass diese Medikamente wesensverändernd wirken, ist die tatsächliche Wirkung von Psychopharmaka wohl irgendwo dazwischen. Psychopharmaka werden meist unterstützend zu einer Gesprächstherapie eingesetzt, wenn es für den behandelnden Arzt sinnvoll erscheint. Aber scheut euch nicht, nachzufragen und bei Bedarf eine zweite Meinung einzuholen. Letzten Endes sollt ihr ja auch wissen, was in euren Körper geht und wie das funktioniert. Hier seid ihr wieder bei einem Psychiater an der richtigen Adresse.

Und was, wenn es gar nicht mehr geht?

In manchen Situationen ist einfach alles zu viel, der Lebenswille schwindet und die dunklen Gedanken kommen. Hier ist keine Zeit mehr für ‚einen Termin in 3-6 Monaten‘, sondern Akuthilfe ist gefragt. Solltet ihr allein nicht mehr weiter wissen, ist die Telefonseelsorge eine gute Anlaufstelle. Auch die nächstgelegene psychiatrische Klinik oder Ambulanz aufzusuchen, ist eine Möglichkeit. Übrigens: Solange Eigen- und Fremdgefährdung ausgeschlossen werden kann und kein richterlicher Beschluss vorliegt, wird man euch hier nicht gegen euren Willen festhalten, sofern ihr über 18 seid. Doch bevor die Krankheit über euch siegt, solltet ihr dies auf jeden Fall in Betracht ziehen.

Übrigens: In Deutschland leben sehr viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Ihr seid nicht allein. Es hat auch nichts mit persönlichem Versagen oder Schwäche zu tun, sich Hilfe zu suchen, wenn man es braucht. Das Leben kann schön und wunderbar, aber ebenso überfordernd und düster sein. Passt auf euch und eure Liebsten auf, achtet aufeinander und scheut euch nicht, euch in professionelle Hände zu begeben.

Hilfreiche Nummern und Adressen:

MedCall der Kassenärztlichen Vereinigung: 0711 7875-3966 (Mo-Do 8-16 Uhr, Fr 8-12 Uhr)

[U25]Deutschland: www.u25-deutschland.de

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222; www.telefonseelsorge.de

MediClin Klinik an der Lindenhöhe: Bertha-von-Suttner-Str. 1, 77654 Offenburg,

Tel. +49 781 91 92 0

Amt für Soziale und Psychologische Dienste Offenburg: Lange Straße 51, 77652 Offenburg, Tel. 0781 805-9769, https://www.ortenaukreis.de/Themen/Soziales-Familie-Arbeit/Kinder-Jugend-und-Familie/Psychologische-Beratung

Psychotherapeutische Beratung des SWFR: https://www.swfr.de/beratung-soziales/psychotherapeutische-beratung/psychotherapeutische-beratung-offenburg-gengenbach/

Quellen

Bildquelle:

Titelbild: https://pixabay.com/de/psychologe-therapie-probleme-krank-1015488/