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TikTok-Verbot in den USA – Zieht Europa nach?

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TikTok-Verbot in den USA – Zieht Europa nach?

Die Diskussion zwischen China und den USA spitzt sich weiter zu. Die App wurde bereits allen Regierungsbeauftragten in den Staaten verboten und ein generelles Verbot ist weiterhin noch nicht vom Tisch. Auch in Europa mussten im Februar 2023 Mitarbeitende der Regierung die App auf ihren Diensthandys löschen. Was sind Gründe für die Abschaffung und müssen auch wir uns bald von der unterhaltsamen Lieblings-App verabschieden? 

„Deutsche Behörden sollten dem Schritt folgen und ebenfalls die China-App von allen deutschen Diensthandys so schnell wie möglich verbannen.“ 

FDP-Europaabgeordneter Moritz Körner

Der TikTok Konzern

Tanzende Jugendliche vor einer Handykamera.

Die TikTok App wurde 2016 vom chinesischen Konzern ByteDance als Videoplattform entwickelt.

Alle TikTok NutzerInnen kennen Sie: Lippensynchronisierte Videos, Kurzclips, Filter und visuellen Effekte. Diese Elemente sind es, die die App innerhalb kürzester Zeit zu einer der beliebtesten Plattformen weltweit machten.

Die Nutzung der App ist intuitiv und einfach. Eine Registrierung ist schon ab 12 Jahren möglich. Besonders junge Menschen werden durch das Design und die Möglichkeiten der App schnell überzeugt. 

Heute zählt die App bereits um die 3 Milliarden NutzerInnen, davon 150 Millionen in Europa.

Somit macht sie auch anderen Social Media Plattformen wie Instagram oder Facebook Konkurrenz.

Das Besondere an TikTok?

Jeder Feed ist anders.

Der Algorithmus analysiert dauerhaft das Verhalten der NutzerInnen und stellt somit einen komplett individuellen und personalisierten Feed zur Verfügung. Die App ist somit im Grunde eine „Black Box“ – man weiss nicht, wie der Algorithmus genau funktioniert.

Woher weiss TikTok also, was genau wir mögen?

Das Problem mit den Daten

TikTok sammelt eine Unmenge an Nutzerdaten. Für die Registrierung ist es unumgänglich der Datenanalyse zuzustimmen.

Viele der erhobenen Daten sind laut der App notwendig für die Funktion. So zum Beispiel die Analyse der angeschauten Inhalte, der Likes oder der FollowerInnen. Auch personenbezogene Daten wie der Name, die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer oder das Geburtsdatum werden als erforderlich eingestuft.

TikTok sammelt in den USA sogar biometrische Daten der NutzerInnen.

Die App sammelt jedoch noch vieles mehr:

Privatnachrichten

Private Nachrichten sind anders als bei WhatsApp nicht Ende zu Ende verschlüsselt. Das bedeutet, TikTok kann jede Nachricht mitlesen!

Standortdaten

Die App hat dauerhaft Zugriff auf den Standort und dieser wird stündlich aktualisiert – auch wenn die App nicht verwendet wird. Das ist viel häufiger als bei anderen Apps.

Kontakte

Auch über alle im Handy gespeicherten Kontakte möchte TikTok Daten erheben – wenn man ablehnt, wird immer wieder neu gefragt, was schnell störend wird und zu einer Zustimmung verleitet.

Zwischenablage

Auch die komplette Zwischenablage des Geräts wird von TikTok ausgelesen – diese wird auch von Passwortdiensten genutzt, daher sind hier sehr sensible Daten vorhanden und gefährdet!

Andere Apps und Nutzungsdaten

Alle Apps, die auf dem Gerät installiert sind, sowie die Nutzungsdauer all dieser werden analysiert – somit weiss TikTok auch über alle anderen Social Media Konten und jede App, die verwendet wird, Bescheid.

Zuletzt analysiert die App auch die Tastendrückmuster und -Rhythmen jedes/jeder NutzerIn.

Biometrische Daten

Seit 2021 erhebt TikTok in den USA sogar biometrische Daten wie Gesichts- und Stimmabdrücke von den NutzerInnen – in Europa ist dies aktuell noch nicht geplant.

Dies wird von TikTok aktuell wie folgt kommentiert: „The only face data that we collect is when you use the filters, to have say sunglasses on your face, we need to know where your eyes are.“ – CEO Shou Zi Chew

Wenn man selbst nicht in der Politik, dem Journalismus oder als Angestellte/r einer großen Firma tätig ist, ist es im Grunde unwahrscheinlich, dass die eigenen Daten wirklich von China ausgewertet werden. Anders sieht es jedoch bei politisch aktiven Personen aus oder bei Privatnachrichten, die geheime Regierungsinformationen oder Ähnliches enthalten. Reicht dieser Grund aber aus, um die App in den USA verbieten zu lassen oder ist da noch mehr?

Wieso die USA TikTok verbieten möchte

In Pakistan und Indonesien wurde die App bereits 2020 verboten, da die Inhalte als pornografisch oder unanständig eingestuft wurden. Auch die Vereinigten Staaten sind skeptisch.

«Wir vertrauen nicht darauf, dass TikTok jemals amerikanische Werte übernehmen wird – Werte für Freiheit, Menschenrechte und Innovation. TikTok hat wiederholt den Weg zu mehr Kontrolle, mehr Überwachung und mehr Manipulation eingeschlagen.»

US-Kongressabgeordnete Cathy McMorris Rodgers

Amerika bringt noch eine Reihe weiterer Vorwürfe gegen TikTok an und fordert den Komplett-Verkauf an die USA: 

Jugendschutz und kritische Inhalte

Es wird laut den USA und vielen anderen Ländern zu wenig gegen Sexismus und Cyber-Mobbing durch den Anbieter unternommen.

Die Nutzung der App ist bereits ab 12 Jahren erlaubt und somit werden Minderjährige nicht ausreichend geschützt. TikTok musste bereits 5,7 Millionen US-Dollar Strafe nach einer Sammelklage besorgter amerikanischer Eltern zahlen.

Das Mindestalter wurde zumindest für das Versenden und Empfangen von privaten Nachrichten nun auf 16 Jahre angehoben – jedoch ist die Altersüberprüfung bei der Registrierung in der App weiterhin sehr leicht zu umgehen.  

Zensur und Diskriminierung

Es ist seit Langem bekannt, dass TikTok gezielt Inhalte zensiert, den Sound entfernt oder komplett löscht.

„Der Algorithmus von Tiktok benachteiligt gezielt Individuen, die nach westlichem Verständnis eines besonderen Schutzes bedürfen.“ – Rüdiger Trost, Sicherheitsexperte

Auch in Deutschland wurden durch Recherchen automatische Wortfilter entdeckt, die nach Wörtern wie Cannabis, Drogen, Gay, Heroin, LGBTQ, Pornografie, Prostitution, Schwul oder Sex filtern. Kommentare mit diesen Begriffen werden anderen NutzerInnen nicht angezeigt und damit sozusagen „mundtot gemacht“.

Propaganda und Meinungsbeeinflussung

Die politischen Ziele Chinas sind laut Angaben von TikTok ausschlaggebend für die Zensur politischer Inhalte auf der Plattform.

Somit werden gezielt Inhalte, die die chinesische Regierung kritisieren, entfernt. Hierunter fallen zum Beispiel Inhalte zu den Umerziehungslagern in Xinjiang

In Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sperrte TikTok alle ausländischen Inhalte für russische NutzerInnen sowie die Möglichkeit, Inhalte hochzuladen. Kritisch ist jedoch, dass weiterhin russische Propaganda von staatlichen Stellen und InfluencerInnen in Russland auf der App hochgeladen wurde. Diese wurde nicht entfernt oder verboten. 

Somit hat die App einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung und wird daher insbesondere von den USA im politischen Zusammenhang als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft.

Sicherheitsbedenken und Spionage

Der wohl wichtigste Grund für ein Verbot der App stellen zahlreiche Sicherheitsbedenken dar.

  • Sicherheitslücken
    • In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Skandale, die Sicherheitslücken in der App ausfindig gemacht hatten. So unter anderem ein Vorfall im Juli 2020. Hier entdeckte ein Freiburger Programmierer durch Nutzer-Access-Token-Cookies die Möglichkeit, fremde TikTok Konten zu übernehmen. Auch war die App zeitweise nicht HTTPS verschlüsselt, wodurch Hacker Clips auf der Plattform einfach ersetzen oder manipulieren konnten. 
  • Unverschlüsselte Datenerhebung
    • Auch die unverschlüsselte Datenerhebung von privaten Nachrichten sowie zum Beispiel Kontaktdaten ist eine Sorge der Staaten. Diese Daten könnten abgegriffen werden und in den Händen Chinas politischen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. 
  • Spionage
    • Die amerikanische Regierung befürchtet ausserdem Spionage und Weiterleitung geheimer Informationen durch die chinesische Regierung. In diesem Zusammenhang wird aktuell zu der Spionage von JournalistInnen in den USA durch Mitarbeitende von ByteDance ermittelt. Diese wurden vermeintlich durch deren GPS-Daten verfolgt. 

TikTok’s Stellungnahme & Reaktion

TikTok’s Chef Shou Zi Chew versicherte mehrfach, die App sei nicht von der chinesischen Regierung abhängig oder überwacht und es würden keine Daten weitergeleitet.

Auch wenn die App mittlerweile bereits zu 60% globalen Investoren gehört, sind die Sicherheitsbedenken der Staaten weiterhin nicht vom Tisch. Der Konzert ByteDance weigert sich jedoch, die App komplett in amerikanische Hände zu geben.

China sieht in dem Verkauf keine Verbesserung der Kritikpunkte, da die Datensicherheit weiterhin ein Problem für die USA darstellen würde.

Projekt Texassoll zukünftig amerikanische Daten nur noch auf Rechnern in den Staaten speichern und verarbeiten und somit die Bedenken der USA ausräumen.

TikTok bietet eine transparente Datensicherung auf USA-Servern und die Kontrolle durch Dritte als Alternative an.

Projekt Clover“ ist bis 2024 für Europa geplant: Es sollen zwei neue Rechenzentren in Irland und Norwegen zur Speicherung und Verarbeitung der europäischen Nutzerdaten gebaut werden. Aktuell sind die Daten in Singapur und den USA gespeichert. Weiterhin soll eine unbenannte dritte Stelle die Datenströme in der Zukunft überwachen.

Wie kannst du deine Daten schützen und droht ein Verbot der App?

Du möchtest TikTok weiterhin nutzen aber weniger Daten mit China teilen?

Du kannst die App ohne Account in der WebVersion nutzen und somit deine Daten zu einem gewissen Teil schützen. Hierbei musst du dann beachten, dass du niemandem folgen kannst und keine personalisierten Inhalte bereitgestellt werden.

Ein generelles Verbot von TikTok ist sowohl in den Staaten als auch in Europa aktuell noch eher unwahrscheinlich. Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) bestätigte, dass ein Verbot von TikTok in Deutschland aktuell nicht geplant sei. Dennoch betonte sie, dass natürlich die Daten des Konzerns weiterhin „abfließen“ und verkauft werden könnten.

Nichtsdestotrotz könnten die Entwicklungen weiter zu einer Einschränkung der App-Nutzung in verschiedenen Bereichen führen. So könnten zukünftig unter anderem Mitarbeitende in großen Firmen, politisch Aktive und JournalistInnen zu einem Verzicht der App angehalten werden. Durch den weltweiten Druck ist ebenfalls eine weitere Anpassung des TikTok Alghorithmus denkbar.


Textquellen (Stand: 11.04.2023)
  • Statista – TikTok Overview
  • Süddeutsche Zeitung – Faeser zu China Einflussnahme TikTok Daten
  • SWR – Datenspionage und TikTok Verbot in den USA
  • Spiegel – Datenproblematik auf TikTok
  • Spiegel – TikTok Verbot in den USA
  • Tagesschau – TikTok Chef im US Kongress
  • Tagesschau – TikTok Wortfilter und Zensur
  • Tagesschau – TikTok Verbot in der EU Kommission
  • Tagesschau – Umerziehungslager in Xinjiang, China
  • Tagesschau – Ukraine Krieg und russische Propaganda auf TikTok
  • TikTok – Datenschutzerklärung
  • TikTok – Projekt Clover
  • T3n – Biometrische Benutzerdaten
  • Watson – TikTok Chef im US Kongress
  • Wikipedia – TikTok
  • Zeit – TikTok Sicherheitsbedenken
  • ZDF – TikTok Diensthandys EU Kommission Verbot
  • ZDF – TikTok Jugendliche Datenschutz
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