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Cancel Culture vs. Meinungsfreiheit – Der Weg zu konstruktivem Austausch

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Cancel Culture vs. Meinungsfreiheit – Der Weg zu konstruktivem Austausch

Cancel Culture – das politische Schlagwort polarisiert und spaltet: Während einige sie als notwendigen Schutz vor Diskriminierung und Hassrede sehen, empfinden sie andere als Angriff auf die freie Meinungsäußerung und den offenen Diskurs. Doch wie können wir zu einer konstruktiven Debattenkultur zurückfinden, ohne dabei auf wichtige Themen und Kritik zu verzichten? Dieser Artikel beleuchtet die Kontroverse zwischen Cancel Culture und Meinungsfreiheit und gibt konkrete Tipps, wie wir den Weg zu einem respektvollen und konstruktiven Austausch finden können.

Was ist die Cancel Culture eigentlich?

Der Begriff entstand im Jahr 2014 auf Twitter und wurde in den letzten Jahren immer stärker politisiert. Eine einheitliche Definition für Cancel Culture zu finden, gestaltet sich allerdings schwierig. Grundsätzlich geht es darum, Fehlverhalten öffentlich zu ächten und durch Boykotte von Personen, Unternehmen oder Kunst ein Zeichen zu setzen. Wer also gecancelt wird, wird aus Konversationen ausgeschlossen, auf Social Media ignoriert oder blockiert und der Konsum des Contents und der Produkte gestoppt. Das Ziel ist es, ein Fehlverhalten öffentlich anzuprangern und dadurch die eigene Haltung und Werte zu demonstrieren.

Doch das Phänomen ist keineswegs neu: Schon in den 70er und 80er Jahren kam es zu Boykotten von Persönlichkeiten und Unternehmen durch Aktivist*innen. Der Unterschied zu früheren Bewegungen ist jedoch die Verbreitungsmöglichkeit durch soziale Netzwerke, wodurch das „Canceling“ ein völlig neues Ausmaß erreicht. Heutzutage können Cancel-Kampagnen innerhalb von Minuten, Millionen von Menschen erreichen und die Betroffenen öffentlich bloßstellen.

Die Vielfalt des Cancelns

Die Ursprünge des Cancelns sind vielfältig, da es von verschiedenen Gruppen und Individuen praktiziert wird. Jemand kann persönlich entscheiden, eine Person oder ein Produkt nicht mehr zu unterstützen, während Veranstalter*innen auch Personen, Produkte oder Kunstwerke von ihren Veranstaltungen ausschließen können. Darüber hinaus kann das Canceln auch von einer Gruppe oder einem Teil der Gesellschaft ausgehen, die bestimmte Begriffe oder Verhaltensweisen nicht mehr tolerieren und öffentlich kritisieren. Ziel des Cancelns können Prominente, Unternehmen, Marken oder Medieninhalte sein, insbesondere in Fällen, in denen beleidigende, diskriminierende, rassistische und sexistische Aussagen oder Handlungen im Spiel sind. Die Vielfalt wird anhand folgender prominenter Beispiele deutlich.

Prominente Beispiele

Kevin Hart

Der US-amerikanische Schauspieler wurde aufgrund von homophoben Tweets aus dem Jahr 2011 gecancelt. Dies führte zu seinem Rücktritt als Moderator der Oscar-Verleihung im Jahr 2018.

J.K. Rowling

Die Harry Potter-Autorin äußerte sich mehrfach transfeindlich auf Twitter. Dafür erhielt sie unzählige Morddrohungen und es gab Forderung zum Boykott ihrer Person und Werke.

Woody Allen

Der Regisseur und Drehbuchautor wurde wegen angeblicher sexueller Übergriffe auf seine Tochter kritisiert, was zu einer Debatte über die Glaubwürdigkeit von Opfern und der Verantwortung von Künstler*innen in der Gesellschaft führte.

H&M

Das schwedische Modeunternehmen geriet in einen Rassismus-Skandal, als sie ein Foto eines schwarzen Jungen mit einem Hoodie, auf dem „Coolest Monkey in the Jungle“ stand, auf ihrer Website veröffentlichten.

To Kill a Mockingbird

Der Roman von Harper Lee wurde aufgrund seiner rassistischen Sprache und Darstellung von Afroamerikaner*innen in den 1960er Jahren heftig kritisiert. Es gab zahlreiche Versuche, das Buch aus Schulbibliotheken und Lehrplänen zu entfernen.

Notwendige Kritik oder Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Auf den ersten Blick scheint die Cancel Culture wenig Positives mitzubringen. Wie auch? Eine Kultur, die Menschen an den Pranger stellt, boykottiert und ausradieren will, teilweise auch zu Unrecht oder in völlig übertriebenem Maße. Diskussionen enden häufig in persönlichen Angriffen, mit dem Ziel, Reputationen und Existenzen zu zerstören. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob die Handlung oder Aussage aktuell ist oder der Vergangenheit angehört. Man bekommt häufig das Gefühl, dass nur noch auf die nächsten Fehler gewartet oder sogar danach gesucht wird, auf den sich dann eine wildgewordene Horde von „woken“ Menschen stürzen kann. Dadurch wird ein Klima der Angst und Einschüchterung geschaffen, indem freie Meinungsäußerung eingeschränkt wird und die Gefahr der Selbstzensur wächst.

Black Lives Matter Demonstration

Auf den zweiten Blick allerdings hat die Cancel Culture eine viel größere Bedeutung für die Gesellschaft. Sie ist ein Aufschrei von Minderheiten, die lange genug unterrepräsentiert und unterdrückt wurden. Sie gibt eben diesen Menschen eine Stimme, welche sie lange nicht hatten und ist ein Zeichen dafür, dass wir viel zu lange unangenehme Themen nicht angesprochen oder ignoriert haben. Beispielhaft dafür steht die #Metoo-Bewegung, welche aufgezeigt hat, wie weit verbreitet sexuelle Belästigung und Missbrauch in unserer Gesellschaft sind. Sie hat Opfern sexueller Gewalt Gehör verschafft und Täter*innen zur Rechenschaft gezogen. Auch die Black-Lives-Matter Bewegung hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für rassistische Ungerechtigkeiten zu schärfen und das Problem des systemischen Rassismus in den Fokus der öffentlichen Debatte zu rücken.

Die Cancel Culture kann ein wichtiger Impuls für gesellschaftlichen Wandel sein, in dem alte Muster wie Rassismus, Diskriminierung und Sexismus eben kein Platz mehr haben. Jedoch heiligt der Zweck nicht die Mittel, denn die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, welches geschützt werden muss. Es muss möglich sein, Kritik zu äußern, ohne dass die zu einer Ächtung oder Diskriminierung führt.

Über die Cancel Culture zur Kultur des Dialogs

„Nur wenige können diskutieren. Die meisten streiten nur.“

Amos Bronson Alcott

Die Cancel Culture verdeutlicht, wie sehr die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren und diskutieren, sich verändert hat. Soziale Medien wie Facebook, Instagram und TikTok haben es inzwischen nahezu jedem ermöglicht, an verschiedenen Diskussionen teilzunehmen, was Debatten breiter, diverser und dynamischer macht. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, den Schritt von einer Kultur des „Cancelns“ hin zu einer besseren Kultur zu machen – einer Kultur des konstruktiven Austauschs, in der wir Meinungsverschiedenheiten austragen, ohne vorschnell zu urteilen oder zu verurteilen, wieder lernen zuzuhören und unsere Gesprächspartner*innen zu respektieren.

Letztendlich tragen wir alle die Verantwortung für einen konstruktiven Dialog miteinander – das heißt, auch Du und Ich. Daher ist es von großer Bedeutung, dass wir uns darüber bewusst sind, welchen Beitrag jeder von uns leisten kann. Um dich dabei zu unterstützen, eine respektvolle Diskussion zu führen, stelle ich dir im Folgenden fünf Tipps vor.

Fünf Tipps zur Verbesserung der Diskussion

Zuhören

Es ist wichtig, anderen zuzuhören und ihre Meinungen und Ansichten zu respektieren, auch wenn wir eine andere Sichtweise haben.

Respekt

Ob persönlich oder online – wir sollten niemals vergessen, dass wir es mit anderen Menschen zu tun haben und ihnen den Respekt entgegenbringen, den wir selbst einfordern.

Fehlerkultur

Jeder sollte die Möglichkeit bekommen, sich zu entschuldigen, sich Fehler einzugestehen und zu verbessern, denn niemand ist perfekt oder ein Bildnis moralischer Überlegenheit.

Faktencheck

Wir sollten darauf achten, dass unsere Aussagen auf Fakten und nachvollziehbaren Argumenten basieren und nicht auf Vermutungen oder Vorurteilen.

Raus aus der Bubble

Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur in unserer eigenen Meinungsblase bewegen und uns auch mit Menschen mit anderen Ansichten auseinandersetzen. Das kann helfen, unsere Perspektive zu erweitern und zu einem konstruktiven Austausch beitragen.

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Cancel Culture: Aktivismus oder Intoleranz

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Cancel Culture in den USA


Bildquellen
  • Titelbild: Lightspring. Cancel Culture. Shutterstock. Digitalbild
  • Bild Black Lives Matter Demonstration: Sorin D. London, UK – 6/3/2020: Protestor holds Black Lives Matter sign outside Downing Street