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Gefährlicher Beautywahn ganz ohne Schönheits-OP – Facefilter in der Kritik

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Gefährlicher Beautywahn ganz ohne Schönheits-OP – Facefilter in der Kritik

Weiße Zähne, volle Lippen, mandelförmige Augen und eine porenfreie glatte Haut. Schlicht und einfach ein Gesicht, das keine Makel kennt. Das sogenannte “Instagram Face” ist mittlerweile unser Schönheitsideal. Was früher das gewisse Kleingeld und einige schmerzhafte Schönheitseingriffe benötigte, zaubern heute digitale Filter ganz ohne Schmerzen. Dieser Trend klingt harmlos, fast schon zu schön, um wahr zu sein – doch er ist durchaus gefährlich!

Der Aufstieg des “Instagram Face”

2013: Veröffentlichung der App FaceTune – Der Beginn der Schönheits-Schummeleien.

Was früher nur Photoshop Profis vorbehalten war, können seit dem Jahr 2013 alle, die sich die App FaceTune auf ihrem Smartphone installiert haben. Die App ermöglicht es seinen Nutzerinnen und Nutzern erstmals, ihre Selfies nach eigenen Wünschen zu bearbeiten und aufzuhübschen. Schnell gewann die Software an Beliebtheit und kletterte in einigen Ländern sogar an die Spitze der Appstore-Charts. Doch warum sollte man Zeit in die Bearbeitung seiner Bilder investieren, wenn es auch einfacher geht. Wie? Mit Facefiltern!

Nach dem App-Hype folgte der Aufstieg des Instant-Messaging Dienstes Snapchat. Bei dieser App ist der Name Programm. “Snap” lässt sich ins Deutsche mit “kurz angebunden sein” übersetzten. So macht es die App möglich, Bilder, Videos oder Nachrichten, die nur wenige Sekunden sichtbar bleiben, an Chatpartner zu versenden. Doch das ist nicht die einzige Neuheit, denn Snapchat launcht erstmals AR-Filter. AR steht für Augmented Reality und beschreibt die Erweiterung der Realität um virtuelle Inhalte. Dabei blieb es nicht bei den unverwechselbaren knuffigen Hundeohren und Blumenkränzen, die man sich virtuell aufsetzen konnte. Die schönen Accessoires wurden schnell durch Filter ergänzt, die Gesichter verändern, verzerren und vereinheitlichen. Ein neues Business ist entstanden und schnell sprangen die Social Media Giganten auf den Schönheitswahn des “Instagram Face” auf.

Beeinflussung des Schönheitsideals

2018: Auch Instagram führt AR-Filter ein – Das Instagram Face wird omnipräsent

Wo man im Netz hinschaut, sieht man die bearbeiteten Gesichter – beziehungsweise wir sehen sie nicht mehr. Denn durch die massenhafte Verwendung stufen wir die falschen Gesichter bereits als authentisch ein. Das bringt die Gefahr der Bildung von Stereotypen mit sich, die unsere Wahrnehmung beeinflussen. So werden die Filter-Merkmale als schön und ideal empfunden. Die “Deutsche Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie” hat eine Umfrage veröffentlicht, in der 59,1 Prozent der Chirurgen angaben, dass Patientinnen mit Filtern bearbeitete Selfies als Vorlage für eine Operation vorzeigen. Während die Inspiration früher noch Models und Prominente waren, ist es heute das Instagram Face! Doch nicht nur die plastische Chirurgie passt sich dem neuen Schönheitsideal an, auch die Produkte der Makeup-Industrie versprechen den “Filter-Look”.

Dieses Bild zeigt die massiven Veränderungen durch die Facefilter. Sie alle verändern das Gesicht auf die gleiche Art und Weise: vollere Lippen, eine schmale Nase, strahlende Augen, ein dünneres Gesicht und nicht zuletzt eine ebenmäßige, glatte unrealistische Haut – Das Instagram Face.

Masken für Millionen und die daraus resultierenden Probleme

Es ist durchaus vorstellbar, dass die dauerhafte Konfrontation mit den perfekten Gesichtern, die eigene Selbstwahrnehmung beeinflussen und im schlimmsten Fall die Ablehnung des eigenen Ichs hervorrufen kann. Die wissenschaftliche Fachzeitschrift “JAMA Facial Plastic Surgery” beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der These, dass Facefilter die psychische Erkrankung Dysmorphobie fördern oder sogar auslösen können. Dysmorphobie ist eine Erkrankung, bei der sich Betroffene als hässlich oder entstellt wahrnehmen und zudem an Depressionen leiden. Bewiesen ist diese Annahme jedoch bislang nicht, doch fakt ist, dass die Filter Unzufriedenheiten mit dem eigenen Körper auslösen.

Verbot von bestimmten Face-Filtern

2019: Ein selbst erstellter Filter eines Nutzers sorgte für Aufregung

Blaue Linien entlang der Bereiche des Gesichts, die durch operative Eingriffe verschönert werden sollen, rote Verfärbungen auf der Nase und die Worte “Fix me” auf die Stirn geschrieben. Diesen Look konnte man sich 2019 durch die AR-Technologie und einem fragwürdigen Filter auf das Gesicht zaubern. Genau dieser Filter war der Grund, warum Meta 2019 seine Regeln bezüglich der Facefilter verschärfte. Meta möchte nach eigenen Aussagen die psychische Gesundheit von jungen Menschen nicht gefährden und verbannt Filter, die Schönheits-Ops und andere Eingriffe verherrlichen. Ein Pressesprecher äußerte sich zu den Schritten, die in die Wege geleitet werden:

“(…) Erstens alle mit plastischer Chirurgie verbundenen Effekte aus der Instagram Effect Galerie entfernen. Zweitens die Genehmigung neuer Effekte dieser Art stoppen und drittens aktuelle Effekte entfernen, wenn sie uns gemeldet werden.“

Pressesprecher Meta | 2019

Dies ist ein erster Schritt, den schrägen Schönheitswahn auf Social Media einzudämmen, doch andere idealisierende Funktionen lassen nicht lange auf sich warten. Beauty-Filter, die für einen Augenaufschlag mit Fake-Wimpern sorgen oder die Haut extrem glätten, bleiben auch nach diesen Schritten von Meta bestehen. Argumentation dafür, die Nutzenden können hier differenzieren, was die Realität sei.

Doch nach einiger Recherche sind weitere OP-Filter auf Instagram auffindbar. Dieser zeichnet nicht nur „Korrekturlinien“ auf das Gesicht, sondern lässt es optisch runder und fülliger aussehen. Dieser Filter ist einer der „harmlosen“ Beauty-OP-Filter, die auf Social Media zu finden sind.

Die Zukunft der Schönheit

Letzten Endes stellt sich die Frage, ob Facefilter verboten werden oder ob Einschränkungen hinsichtlich ihrer Nutzung angeordnet werden sollten. Eine Option wäre eine Altersbeschränkung, sodass sie nicht von allen Altersgruppen genutzt werden können. So könnte vor allem die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geschont werden. Des Weiteren ist es sinnvoll, über aufklärende medienpädagogische Angebote nachzudenken. Diese Angebote sollten dabei helfen, die Vor- und Nachteile, ebenso wie die Zusammenhänge und die Konsequenzen von Beautyfiltern für das gesellschaftliche Miteinander zu adressieren. Medienpädagogische Kampagnen auf Social Media könnten ebenso zur Aufklärung beitragen. Angebote dieser Art könnten einen kritischen und reflektierten Umgang mit Facefiltern fördern, ohne dabei die Technologien von vornherein zu verurteilen oder direkt zu verbieten.

Meine Erfahrung mit dem Instagram Face

Ich bin Jenny, 24 Jahre alt und bin somit ein Teil der Generation, die als erstes mit Smartphones aufgewachsen ist. Ich habe selbst einige Profile auf diversen Social Media Plattformen, doch eines muss ich zugeben, Facefilter habe ich so gut wie noch nicht verwendet. Es war also für mich eine Herausforderung, für diesen Artikel die AR-Features auszuprobieren und einige Selfies von mir zu machen. Mein Resümee: Ich bin schockiert.

Die enorme, fast schon unendliche Anzahl der Filter auf Instagram haben mich regelrecht überfordert. Ich habe einen nach dem anderen ausprobiert und festgestellt wie absurd ich damit aussehe. Doch es stimmt, auch wenn man sich in dem Moment des Fotos nicht wohl in seiner Haut fühlt, spielt es keine Rolle mehr, sobald der Filter auf dem Gesicht zu sehen ist. Denn ab diesem Moment habe ich mich gefühlt, als würde ich regelrecht eine Maske tragen und nicht mehr mich selbst auf dem Bildschirm sehen.

Die Gefahren dieser Filter sind wirklich enorm, denn auch ich habe festgestellt, sobald der Filter von meinem Gesicht verschwindet, scheinen meine selbst wahrgenommenen Makel auffälliger zu sein. Man beginnt sich mit dem Schönheitsideal, was einem wortwörtlich vor das Gesicht gehalten wird zu vergleichen. Ich selbst kann dabei jedoch schnell wieder zu mir zurückfinden. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es gerade für Teenager in der Pubertät wirklich problematisch sein kann das “reales Ich” anzunehmen.

Meiner Meinung nach sind Filter, die uns Accessoires zaubern, uns in lustige Kostüme stecken, oder die die Lichtstimmung ändern völlig unproblematisch. Die “idealisierenden” Beauty-Filter sollten jedoch eingeschränkt oder sogar verboten werden.

Bildquellen

Alle Bilder sind eigene Aufnahmen