Studentenleben

Kommt das landesweite Semesterticket für Baden-Württemberg?

Illustration Semesterticket für Baden-Württemberg
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Kommt das landesweite Semesterticket für Baden-Württemberg?

Mit einem Semesterticket quer durchs Bundesland – was in anderen Teilen Deutschlands längst möglich ist, wird in Baden-Württemberg seit Jahren verhandelt. In diesem Beitrag erfährst du, warum es bisher kein solches Ticket gibt und was für die Zukunft geplant ist. Noch in diesem Jahr soll es ein Angebot geben, von dem Studierende der HS Offenburg profitieren könnten.

Bestandsaufnahme: Welche Semestertickets werden in Deutschland angeboten und wie sieht es in Baden-Württemberg aus?

Im öffentlichen Nahverkehr können Studierende häufig sparen. Semestertickets werden an den meisten Hochschulen und Universitäten in Deutschland angeboten. Um zu verdeutlichen, welche Konzepte es dabei gibt, möchte ich dir zwei unterschiedliche Modelle vorstellen. 

Das vollsolidarische Semesterticket

Dieses Ticket wird von allen Studierenden einer Hochschule oder Universität zum Beginn des Semesters erworben. Vollsolidarisch bedeutet, dass alle Studierenden das Ticket kaufen und es dadurch für alle günstiger wird. Grundsätzlich ist der Kauf des Tickets verpflichtend, Studierende können sich aber in Härtefällen befreien lassen. Ein Beispiel für ein vollsolidarisch finanziertes Modell ist das Semesterticket der Uni Marburg. Hier dürfen Studierende den öffentlichen Nahverkehr in weiten Teilen Hessens in Anspruch nehmen. Seit 2018 gilt das Ticket sogar für bestimmte IC / ICE Strecken in Hessen. Jeder Studierende der Uni Marburg zahlte dafür, im Sommersemester 2021, einen solidarischen Anteil von 192,90 Euro im Rahmen des Semesterbeitrags. 

Das teilsolidarische Semesterticket

Ein zweites Modell ist das teilsolidarische Semesterticket. Diese Form ist in vielen Verkehrsverbünden in Baden-Württemberg üblich. Ein Beispiel aus Stuttgart: Alle Studierenden zahlen mit dem Semesterbeitrag anteilig 46,40 Euro für ein Semesterticket des lokalen Verkehrsverbundes VVS, welches sie an Wochentagen ab 18 Uhr und am Wochenende nutzen dürfen. Der Preis für das eingeschränkte Ticket bleibt relativ niedrig, da alle Studierenden zahlen. Das nennt man teilsolidarisch. Wer das Ticket auch zu anderen Zeiten nutzen möchte, zahlt zusätzlich 209 Euro für ein erweitertes Semesterticket im Geltungsbereich des VVS. Bei diesem Modell wird somit ein eingeschränktes Ticket von der Allgemeinheit finanziert. Wer Bus und Bahn darüber hinaus nutzen möchte, kann selbst entscheiden, den vollen Beitrag zu zahlen.

Und welches Ticket hast du?

An der Hochschule Offenburg gibt es bislang keines der beiden Modelle. Lediglich in Studiengängen in Kooperation mit der PH Freiburg, müssen Studierende einen teilsolidarischen Beitrag für das Freiburger Semesterticket zahlen. Um den öffentlichen Nahverkehr in Offenburg und im Ortenaukreis zu nutzen, kannst du Monats- oder Jahreskarten für Studierende beim Tarifverbund TGO erwerben. Der Preis variiert je nach Tarifzonen. Mit dem Angebot fanta5 kannst du das Ticket darüber hinaus auch in vier weiteren Verkehrsverbünden (eingeschränkt) nutzen. Kritisch anzumerken ist aber, dass das Angebot des TGO eher auf Schüler ausgerichtet ist. Zudem ist es nicht solidarisch finanziert und daher im Vergleich zu anderen Semestertickets sehr teuer.

Tipps um trotzdem günstig an dein Ziel zu kommen:

Wenn du nur einzelne Strecken in Anspruch nehmen möchtest, bietet die Deutsche Bahn weitere Sparmöglichkeiten für Studierende, wie zum Beispiel das DB Sommer Ticket oder das BW-Ticket Young. Auch mit Fernbus-Anbietern und Mitfahrgelegenheiten kannst du auf bestimmten Strecken sparen.

Gerade für dich, an der HS Offenburg, könnte ein landesweites Semesterticket daher spannend sein. Doch welches Modell soll in Baden-Württemberg eingeführt werden und aus welchem Grund? Eine kleine Zeitreise hilft zu verstehen, wie kompliziert und langwierig der Weg bisher war und was dabei herauskam. 

Zeitreise: Das Semesterticket und Baden-Württemberg

Die Landesstudierendenvertretung Ba-Wü (LAK) diskutierte 2010 erstmals über ein landesweites Semesterticket. Um besser mit Politik und Wirtschaft verhandeln zu können, wurde 2013 der Arbeitskreis “Landesweites Semesterticket” gegründet. Bei der Entscheidung über ein solches Tickets ist es notwendig, alle Interessengruppen einzubinden. Zu diesen Interessengruppen gehören zum Beispiel die Studierenden der verschiedenen Universitäten und Hochschulen, das Verkehrsministerium und die Verkehrsverbünde. In den folgenden Jahren wurden Umfragen und Urabstimmungen an Hochschulen und Universitäten durchgeführt. Dadurch sollten verschiedene Vorschläge und Modelle zum landesweiten Semesterticket validiert werden. Ein vollsolidarisches Semesterticket wurde abgelehnt, ein teilsolidarisches Modell wurde weiter diskutiert. Die Schwierigkeit bestand darin, dass die Studierenden, je nach Standort der Hochschule/Universität und je nach bereits bestehendem Angebot, ganz unterschiedliche Preisbereitschaften für ein solches Ticket hatten. Auch das Verhandeln mit Politik und Verkehrsverbünden gestaltete sich schwierig. 

Um den Prozess eines landesweiten Semestertickets zu beschleunigen, einigte sich die LAK im Oktober 2020 schließlich auf ein optionales, nicht solidarisch finanziertes Modell. Studierende sollen also in Zukunft die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, ob sie ein solches Ticket nutzen und bezahlen möchten. Ein konkretes Preismodell für das Ticket soll von der BW-Tarif GmbH vorgelegt werden und wird seit 2019 erwartet.  

Insights zur Geschichte des landesweiten Semestertickets: 

Florian Wondratschek, Sprecher des Arbeitskreises “Landesweites Semesterticket” hat die Ereignisse der letzten Jahre in einem ausführlichen Beitrag zusammengefasst.

Ausblick: Wann ist das Semesterticket verfügbar?

Der Beschluss eines optionalen Semestertickets für Baden-Württemberg war ein großer Schritt. Seit diesem Zeitpunkt geht es aber leider nur noch in kleinen Schritten voran. Es gibt weiterhin kein umsetzbares Konzept seitens der BW-Tarif GmbH. Auch in der Politik wollte man zunächst die Landtagswahl 2021 abwarten. Im Wahlprogramm der Grünen wurde der öffentliche Nahverkehr stark thematisiert. Geplant ist, ein sogenanntes 1-2-3 Ticket einzuführen, welches den öffentlichen Nahverkehr preislich attraktiver machen würde. Ein solches Konzept könnte sich auch auf das geplante Semesterticket und dessen Preis auswirken. 

Im Interview, im Rahmen einer Sitzung des Arbeitskreises Landesweites Semesterticket am 16. April 2021, sagte Florian Wondratschek, Sprecher des Arbeitskreises “Landesweites Semesterticket”, die BW-Tarif GmbH habe auf Nachfrage zuletzt skeptisch reagiert und sehe geringe Chancen für eine Umsetzung 2021. Das Landesverkehrsministerium hingegen betone eindrücklich, dass es 2021 ein “umsetzungsreifes Konzept” geben müsse. 
Aufgrund der unterstützenden Worte der Politik bleibt Florian Wondratschek weiterhin zuversichtlich.

„Wir vertrauen dem Zeitplan des Verkehrsministeriums und hoffen weiterhin auf eine Umsetzung des landesweiten Semestertickets im Dezember 2021.”

Florian Wondratschek, April 2021

Bei all den Unsicherheiten sind einige Aspekte aber bereits verhandelt. Zum Beispiel der Geltungsbereich. Mit dem landesweiten Semesterticket kannst du zukünftig Nahverkehrszüge in der zweiten Klasse und alle Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse der baden-württembergischen Verkehrsverbünde nutzen. Darüber hinaus wird es möglich sein, bestimmte Strecken nach Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern zu nutzen. Auch die Fahrt über die schweizer Grenze nach Basel soll ermöglicht werden.

Streckennetz Semesterticket Baden-Württemberg
Voraussichtliches Streckennetz für das landesweite Semesterticket (vereinfacht dargestellt)

Über eine kostenlose Fahrradmitnahme und eine Rückerstattungsregel bei Zugausfällen wird weiterhin verhandelt. Offen bleibt zudem, wie viele Studierende ein solches Ticket zusätzlich zu ihren lokalen Angeboten nutzen würden. Schließlich wird auch der Preis des Tickets bei der Nachfrage eine große Rolle spielen. Auch die Corona Pandemie und die daraus resultierende Online-Lehre könnten die Nachfrage zukünftig beeinflussen. 

Fazit: Klar ist, vieles ist weiter unklar

Das landesweite Semesterticket kommt, das steht fest. Aktuell gibt es allerdings weder eine konkrete Aussage darüber, wann das Ticket verfügbar sein wird, noch darüber, was es kosten wird. Für die Initiatoren des landesweiten Semestertickets steht fest: Man muss das Thema in der Öffentlichkeit diskutieren, um den Druck zu erhöhen und den Prozess zu beschleunigen. Es bleibt also spannend. Um dich weiterhin über das Thema zu informieren, kannst du regelmäßig die Webseite semesterticket-bw.de besuchen. Hier werden alle aktuellen Informationen veröffentlicht. Bis eine Lösung gefunden wurde, zeigen dir zwei weitere Artikel, wie du mit Fernbussen oder Mitfahrgelegenheiten günstig an dein Ziel kommst.

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Bildquellen
  1. Titelbild: eigene Illustration mit Procreate
  2. Streckennetz: Arbeitskreis Landesweites Semesterticket