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Verdummung durch Vertical-Content – Was dein Social-Media-Konsum unbewusst mit dir macht

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Verdummung durch Vertical-Content – Was dein Social-Media-Konsum unbewusst mit dir macht

Kennst du das, wenn du jeden Tag unbewusst dein Handy zückst und durch deinen Instagram-Feed scrollst? Ein 50-Sekunden-Video auf TikTok? Zu lang! Stattdessen ziehst du ein 10-Sekunden-Video vor. Doch plötzlich merkst du, dass eine ganze Stunde verflogen ist, während du im Sog der Social-Media-Welt feststeckst. Wie beeinflussen uns diese Plattformen und ist ihr Konsum wirklich förderlich für unser Wohlbefinden? Lass uns eintauchen und den Blick auf die Auswirkungen des digitalen Strudels auf uns richten.

Hochformatige Kurzvideodienste bzw. Vertical-Plattformen der Social-Media-Welt stehen voll und ganz im Hype: Sowohl TikTok als Trendsetter der vertikalen Kurzvideos, als auch YouTube mit dem Format „Shorts“ und Instagram mit dem Format „Reels“ weisen jeweils mindestens 1 Milliarde aktive Konsumenten auf. Dabei beträgt die durchschnittliche Verweildauer der Konsumenten und Konsumentinnen auf TikTok ganze 95 Minuten pro Tag. Die Nutzungszeit von sozialen Online-Medien und Computerspielen lag laut einer Studie 2020 bei Jugendlichen in den Ferien sogar bei durchschnittlich 7 Stunden und 14 Minuten. Auch die Startseiten bei Instagram, die mittlerweile hauptsächlich aus den Kurzvideos bestehen, zeigen die hohe Prominenz des Content-Formats. In diesem Blogbeitrag erfährst du, welche Auswirkungen gerade diese Kurzvideos auf uns haben und warum wir uns im Zeitalter der minimalen Aufmerksamkeitsspanne und der größten Dopamin-Junkies befinden.

Wieso konsumieren wir Vertical-Social-Media-Videos?

Sie unterhalten uns
& machen uns schnell glücklich!

Sie sind kurzweilig und pointiert!

Sie catchen uns bereits in den ersten Sekunden jedes Videos aufs Neue!

Sie entsprechen genau unseren Interessen und unserem Humor!

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, warum du dir die kurzen Videos auf TikTok & Co. anschaust? Es gibt noch weitere Gründe, weshalb wir die Videos so gerne und so lange anschauen. Dazu müssen wir uns die Vorgänge in unserem Gehirn beim Konsum von Kurzvideos genauer anschauen.

Obwohl sich die folgenden Inhalte hauptsächlich auf den vertikalen Content auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube und Snapchat konzentrieren, können die damit verbundenen Herausforderungen auch auf andere Plattformen wie Pinterest, LinkedIn und sogar den allgemeinen Konsum digitaler Medien übertragen werden.

Die 3 großen Auswirkungen

1. Social Media als digitale Droge

Während wir Inhalte auf sozialen Medien konsumieren und in kürzester Zeit viele verschiedene aktivierende Videos anschauen, wird in unserem Körper immer wieder kurzzeitig Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist der Botenstoff des Glücks und verantwortlich für unsere Glücksgefühle und Motivationsfindung. Dieses Dopamin verleiht uns zwar für einige Sekunden ein kurzfristiges Glücksgefühl und den Eindruck, gut unterhalten zu werden, hat jedoch keine langfristige Auswirkung auf unser Wohlbefinden. Dadurch ergeben sich zwei bedeutende Konsequenzen:

Verschiebung des Dopaminspiegels:
Das Problem ist, dass Dopamin normalerweise nicht so kurzfristig und in so hohen Dosen ausgeschüttet wird. Die Umsetzung eines DIY-Projekts führt bspw. im Vergleich erst nach Tagen der Arbeit zu einer Dopaminausschüttung, wenn das Projekt fertiggestellt ist und das Ergebnis mit Stolz genutzt werden kann. Durch den hohen Social-Media-Konsum gewöhnt sich der Körper jedoch an die kurzfristige hohe Ausschüttung innerhalb von Sekunden und der Dopaminspiegel verschiebt sich. Kennst du das Gefühl, wenn du mit deinem Handy auf der Couch liegst und dir einfach die Motivation fehlt aufzustehen, um z.B. Sport zu machen? Mit der Verschiebung des Dopaminspiegels verschiebt sich auch unsere Motivationsschwelle: Es fehlt die Motivation rauszugehen, ein neues Hobby zu beginnen oder ein Buch zu lesen, da es sich im Vergleich zum Social-Media-Konsum, bei dem vermeintlich besser Dopamin freigesetzt werden kann, zu anstrengend anfühlt. Gerade Vertical-Social-Media-Content hat hier den gleichen Effekt wie Fast Food, Alkohol oder Pornos – sie machen uns kurzfristig und schneller glücklich, bringen uns langfristig jedoch keine positiven Gefühle, sondern senken unsere Motivation.

Bild 2: Dopaminausschüttung durch Social- Media-Konsum

Online-Sucht:
Da unser Körper versucht, Dinge zu tun, bei denen er möglichst viel Dopamin ausschüttet, entwickeln wir den Drang, noch mehr Content auf Social-Media-Plattformen zu konsumieren. Nach einer Studie der Universität Chicago ist das Verlangen nach Social Networks sogar größer als das nach Nikotin oder Alkohol. Bereits eine Social-Media-App-Benachrichtigung, löst den Drang aus, sofort nachzuschauen, was Spannendes passiert ist. Grund hierfür ist eine klassische Konditionierung der App, die bereits mit dem Belohnungseffekt verknüpft ist.

Dies verdeutlicht ein symbolischer Vergleich:

Bild 3: Glücksspielsucht

Die unbewussten Gedanken von Glücksspielsüchtigen:

  • In dieser Runde hatte ich eine totale Pechsträhne, nur noch einmal spielen, dann muss ich ja wieder Glück haben.
  • Kraaaank, 1.000€ gemacht, direkt nochmal drehen, dann gewinne ich vielleicht noch mehr.
Bild 4: Online-Sucht

Die unbewussten Gedanken von
Social-Media-Usern und -Userinnen:

  • Das Video war jetzt nicht so der Hit, wenn ich weiter swipe muss gleich wieder ein Highlight kommen.
  • Das Video war echt echt gut! Direkt weiter swipen, so eins will ich nochmal.

Wir scrollen stundenlang durch die For You Page auf der Suche nach dem nächsten Dopamin-Highlight. Der Feed hat dabei bewusst kein natürliches Ende und wir müssen uns bewusst dafür entscheiden, das Handy zur Seite zu legen. Dabei hält uns der Drang weiter zu swipen allerdings doch immer weiter in der App.

Bereit für einen beängstigenden Alert?

Die beschriebene Online-Sucht führt zu einer deutlichen Abnahme der weißen Substanz in den Teilen des Gehirns, die die Entscheidungsfindung, die Aufmerksamkeitsspanne und die emotionale Verarbeitung steuern. Diese Substanz ist dafür verantwortlich, die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn zu beschleunigen. Studien bestätigen daher eindeutig, dass die vermehrte Nutzung von Social Media unsere geistige Leistungsfähigkeit reduziert, so auch der renommierte Hirnforscher Manfred Spitzer.

Auch er sieht langfristig fatale Folgen der Abhängigkeit von digitalen Medien wie Social Media für unsere Gesellschaft. Das zeigt auch Korea, das Land mit der wohl höchsten Medialisierung überhaupt. Dort sind heute bereits 12 Prozent der jungen Generation internet- und computersüchtig und haben ernste Probleme, längere Zeit offline zu gehen.

„Das ist schlimm für die Zukunft eines Landes und fatal für die Betroffenen selbst, wie ich aus entsprechenden Erfahrungen mit meinen Patienten gelernt habe“
– Manfred Spitzer –

Ein Neurowissenschaftler erklärt dir das Problem in 4:30min noch einmal genau!
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Video 1: Neuroscientist – What Overusing Social Media Does To Your Brain

2. Fokusprobleme

Na, wann hast du das letzte Mal einen 90-minütigen Film gesehen, ohne dabei parallel mal am Handy gewesen zu sein?

Social-Media-Content wird immer kurzweiliger. Bereits die ersten Sekunden eines Videos vermitteln Hochspannung, um den Nutzer direkt zu catchen. Mit dem Konsum dieser kurzweiligen Inhalte haben wir auch unser Gedächtnis umprogrammiert, das sich an die schnelle Informationsvermittlung gewöhnt. Wir erfassen schnell, worum es in den kurzen Videos geht, verlieren jedoch zunehmend die Konzentration, Aufmerksamkeitsspanne und Geduld, um lange Videos und Texte zu verarbeiten. Studien zeigen, dass bereits 90 Minuten Social-Media-Konsum pro Tag einen Impact auf das Konzentrations- und Fokusvermögen hat. Auch bei Studierenden einer chinesischen Studie hat sich die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses durch übermäßigen TikTok Konsum sichtbar verringert.

Bild 5: Konzentrationsverlust

Das hat zur Folge, dass es uns enorm schwerfällt uns auf lange Texte zu konzentrieren, ein Buch zu lesen oder etwa einen 90-minütigen Film anzusehen, ohne dabei parallel am Handy gewesen zu sein. Unser Fokus reicht einfach nicht mehr aus, um uns längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren.

Ausblick „Digitale Demenz“:

Die Bezeichnung „Digitale Demenz“ wird in Korea seit 2007 verwendet, um ein Phänomen zu beschreiben, das sich seitdem weiterentwickelt hat. Insbesondere junge Erwachsene haben zunehmend Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Informationen zu behalten, Texte zu lesen und stumpfen emotional ab. Dies wird auf die zunehmende Nutzung digitaler Medien zurückgeführt, die uns geistige Arbeit abnehmen und uns das Denken erleichtern. Daraus ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Wenn das Gehirn durch die Nutzung digitaler Techniken weniger gefordert wird, sinkt auch das Lernpotenzial und die Entwicklung der Gehirnwindungen verlangsamt sich.

3. Dumme Unterhaltung macht uns zu dummen Menschen

Dein soziales Umfeld prägt dich. Die Menschen, mit denen du dich umgibst, formen dich zu dem Menschen, der du bist. Verbringst du jedoch täglich Stunden in den sozialen Medien, so sind die Creator*innen und deren Inhalte auf den Plattformen Teil deines sozialen Umfelds, deiner sozialen Bubble. Sie beeinflussen, über was du dir täglich Gedanken machst. Sie formen dich als Menschen. Das Problem ist jedoch, dass die größten Creator*innen bzw. die verbreitetsten Inhalte auf Social Media leichten Content bzw. einfache Unterhaltung darstellen, die dich nicht weiter bringen und aus denen du nichts lernen kannst. Häufig vermitteln deren Inhalte außerdem schlechte Werte, wie Überkonsum. Konsumierst du nun täglich und stundenlang diese Art von „einfacher Unterhaltung“ oder auch „Trash-Content“ genannt, wirkt sich dies auf deine Sozialisierung, Denkweise, Interessen und deinen Bildungsstand aus.

4 Herangehensweisen, wie du mit wenig Veränderung einiges bewirken kannst

Keine Sorge, wir sind aufgrund unseres Social-Media-Konsums auch nicht verloren, es liegt jedoch an uns, wie wir mit unserer Social-Media-Nutzung langfristig umgehen. Mithilfe folgender Tipps kannst du den auftretenden psychischen Auswirkungen aktiv entgegenwirken:

Setze deinen Dopaminspiegel wieder auf null:

  • Verzichte zwei bis drei Tage auf jede Art der kurzfristigen Dopamin-Ausschüttung. Konsumiere also nichts, was dich in einem Moment kurzfristig glücklich macht, wie z.B. Social Media, Fast Food, Pornos etc.

Reduziere deinen Social-Media-Konsum:

  • Challenge dich: Suche dir einen guten Film und lege dein Handy bewusst in einen anderen Raum, bis der Film zu Ende ist.
  • Auch kleine Dinge können helfen: Schalte die Push-Benachrichtigungen für deine Social-Media-Apps aus und verschiebe die App immer wieder an eine andere Stelle auf dem Homescreen.
  • Begrenze deine tägliche Nutzungszeit: Dies funktioniert mithilfe von Zeitlimits für gewisse App-Kategorien zur Eingrenzung der Bildschirmzeit direkt über die Einstellungen deines Handys.

Entwickle ein langfristiges Bewusstsein für deinen Konsum:

  • Teste dich selbst: Schalte dein Handy in einer Alltagssituation aus und lege es in deine greifbare Nähe. Beobachte, wie oft du unbewusst zum Handy greifst und frage dich, wofür du das Handy nutzen wolltest.
  • Entscheide dich aktiv für den Konsum: Möchtest du die nächste Stunde durch Instagram scrollen oder nutzt du die Zeit für Sport, ein Buch oder ein Telefonat. Sei dir bewusst, dass es einen Unterschied macht und dich langfristig zu einem anderen Menschen formt.

Miste deinen Feed aus:

  • Entscheide dich aktiv, welcher Inhalt dir einen Mehrwert bietet. Vermeide oberflächlichen Content, der falsche Werte vermittelt. Suche stattdessen nach Inhalten, die dich wirklich weiterbringen oder entscheide dich zum Beispiel mal wieder für einen längeren Dokumentarfilm aus deinem Interessensgebiet.
  • Überlege dir, wem du wirklich folgen möchtest und nutze Buttons wie „Interessiert mich nicht“ – so hilfst du auch der Plattform die richtigen Inhalte zu pushen.

Fazit

Der Konsum von Social-Media-Inhalten, insbesondere von Vertical-Social-Media-Content, ist gerade bei der jungen Generation sehr beliebt und weit verbreitet. Es ist jedoch an der Zeit, auch die Auswirkungen dieses Konsums zu betrachten. Dabei spielt vor allem der Einfluss auf den Dopaminspiegel und die daraus resultierenden Einflüsse auf die persönliche Motivation eine große Rolle, ebenso wie die sich langsam ausbreitende Online-Sucht mit Vorsicht zu beobachten ist. Ebenfalls alarmierend sind die Entwicklungen in Bezug zum Fokus- und Konzentrationsverlust sowie die Einflüsse der Social-Media-Inhalte als soziales Umfeld der jungen Generation.

Es ist entscheidend, die thematisierten Auswirkungen nicht zu dramatisieren, sich jedoch ein Bewusstsein für die Konsequenzen und den langfristigen Einfluss der Medien zu schaffen. Spannend sind hierbei vor allem die bereits durchgeführten Studien, die das Thema wissenschaftlich untermauern. Es gilt, mithilfe der genannten Tipps den Social-Media-Konsum bewusster zu steuern und so die Auswirkungen des Konsums auf den eigenen Menschen im Blick und unter Kontrolle zu behalten.

An dieser Stelle kann ich dich beruhigen: Wenn du den Blogartikel bis hier hin gelesen hast, ist das bereits ein sehr gutes Zeichen, dass deine Konzentrationsfähigkeit noch nicht dramatisch beeinflusst wurde. 😉🥳

Interessiert an tieferen Einblicken in die psychologischen Auswirkungen des Social-Media-Konsums?
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Video 2: Können Insta, TikTok und Co. uns süchtig machen?

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Video 3: TikTok Is Facing Investigation!

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