Studentenleben

Digitale Schönheits-OP: Die Gefahr der Beauty-Filter

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Digitale Schönheits-OP: Die Gefahr der Beauty-Filter

Hohe Wangenknochen, weiße Zähne, geschwungene Wimpern, große und geschminkte Augen, volle Lippen und makellose Haut – all das sind Merkmale, die dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen. Wer möchte nicht so aussehen wie Stars und Influencer*innen in den sozialen Medien? Dank Beauty-AR-Filtern auf Plattformen wie Instagram, TikTok und Co. ist dies für jeden möglich. Diese Filter liefern eine optimierte Version unseres Erscheinungsbildes. Dadurch entstehen bei den Nutzer*innen oft Selbstzweifel. Sogar Psycholog*innen und Neurolog*innen äußern Besorgnis darüber. Doch wie gefährlich sind diese Filter wirklich?


Soziale Netzwerke spielen eine maßgebliche Rolle bei der Verbreitung und Verfestigung aktueller Schönheitsideale. Die Plattformen fördern eine beinahe krankhafte Selbstdarstellung, bei der makellose Menschen präsentiert werden. Sowohl Prominente als auch Influencer*innen inszenieren sich perfekt gestylt und greifen dabei auf Bildbearbeitung zurück. Besonders Jugendliche betrachten Influencer*innen als Vorbilder und die Auswirkungen dieser vermeintlich perfekten Inszenierung bleiben nicht aus. Der Körper wird dadurch zum Schauplatz dieser Darbietung.

Was sind Schönheitsideale überhaupt?

Schönheitsideale sind weitgehende Übereinkünfte darüber, was als schön und erstrebenswert gilt, variieren aber kultur- und zeitabhängig. In der westlichen Welt sind Schlankheit, Fitness und Jugendlichkeit die wichtigsten Schönheitskriterien, ergänzt durch Merkmale wie große Augen, lange Haare und markante Wangenknochen.

Die sozialen Medien präsentieren eine Scheinwelt, in der Bilder und Videos oft stundenlang bearbeitet und gefiltert werden.

Die Influencerin Pamela Reif stellt hierbei ein perfektes Paradebeispiel dar. Sie ist die erfolgreichste deutsche Fitness-Bloggerin und hat auf Instagram und Youtube je über 9 Millionen Abonnenten. Auf Instagram postet sie regelmäßig Bilder auf denen sie ihren Körper perfekt in Szene setz.

Bild 1: Beispielbild Selbstinszenierung

Eine repräsentative Umfrage von „Stylebook“ und dem Marktforschungsinstitut Innofact im August 2021 zeigte, dass für viele Frauen Likes in sozialen Medien wichtiger sind als Komplimente im realen Leben und sie sich zu Schönheitseingriffen verleitet fühlen. Insgesamt nahmen 1016 Frauen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren an der Umfrage teil.  

Das größte Problem bei Beauty-Filtern ist, dass sie immer realistischer werden, was es schwieriger macht, bearbeitete Aufnahmen zu erkennen. Kennst du schon den neuesten KI-Schönheitsfilter? Nein? Dann erfährst du jetzt wie dieser Funktioniert und welche Gefahren sich hinter diesen Filtern verbergen.

Der „Bold-Glamour“-Filter

„Bold-Glamour“ ist der neueste TikTok-KI-Schönheitsfilter. Er ist extrem realistisch, was ihn besonders macht und Aufmerksamkeit erregt. Die Gefahr hierbei ist, dass er so realistisch wirkt, dass Nutzer*innen oft nicht mehr erkennen können, wann der Filter angewendet wird.

Der Filter erzeugt ein virtuelles Make-up mit makelloser Haut, großen Augen, dichten Augenbrauen, einer schmalen Nase, hohen Wangenknochen und vollen Lippen, um dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen.

Bild 2: Selfie mit Bold-Glamour Filter

Expert*innen vermuten, dass der Filter maschinelles Lernen verwendet und das Kamerabild mit einem Datensatz anderer Bilder vergleicht, um den hyperrealistischen Look zu erzeugen. Bisher haben etwa 15 Millionen Nutzer*innen den Filter verwendet. Obwohl TikTok betont, dass Videos mit dem Filter gekennzeichnet werden, fordern viele Kritiker Warnhinweise, da solche Filter unrealistische Schönheitsstandards verstärken und negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben können.

Zurecht, denn wird ein TikTok-Video nämlich von der Plattform heruntergeladen, verschwinden Bold-Glamour und alle anderen Filterkennzeichnungen. Wird dieses Video dann auf einer anderen Plattform gepostet, kann es für Zuschauer*innen unklar werden, ob ein Filter verwendet wird.

Die Gefahren von Beauty-Filtern

Sogar Psycholog*innen warnen vor möglichen Folgen wie einer gestörten Selbstwahrnehmung und einer körperdysmorphen Störung. Eine körperdysmorphe Störung tritt auf, wenn eine intensive Fixierung auf vermeintliche oder geringfügige Mängel im Erscheinungsbild zu erheblichem Leidensdruck führt oder die Arbeits- und/oder Lebensqualität beeinträchtigt wird.

Hier findest du zusammengefasst die wichtigsten Gefahren, die Beauty-Filter mit sich bringen.

Verzerrtes Selbstbild und Schönheitsideal

Das idealisierte Schönheitsbild in den Medien unterscheidet sich stark von der Realität, was zu einem ständigen Vergleich und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führt, insbesondere bei jungen Menschen. 30 Prozent der Jugendlichen sind besorgt um ihr Aussehen, jede*r fünfte 11- bis 17-Jährige zeigt Anzeichen einer Essstörung, und 18 Prozent fühlen sich durch das Schönheitsideal unter Druck gesetzt. Diese Zahlen nehmen jährlich zu, wobei Social Media eine große Rolle spielt. Menschen imitieren auf sozialen Netzwerken die Inszenierung von Influencer*innen und bearbeiten ihre eigenen Fotos, um den scheinbar perfekten Standards gerecht zu werden. Dies kann zu verstärkter Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen, selbst beim bloßen Durchscrollen von Bildern.

Selbstdarstellungswahn, Selfie-Dysmorphie und andere psychische Erkrankungen

Junge Erwachsene sind durch Schönheitsfilter in den sozialen Medien gefährdet, da sie ihr Aussehen digital verbessern und Likes erhalten, aber in der Realität diesem Ideal nicht gerecht werden können. Der Begriff „Selfie-Dysmorphie“ beschreibt eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers, bei der Patient*innen bestimmte Aspekte ihres Aussehens verändern wollen, sogar durch chirurgische Eingriffe.

In meiner täglichen Erfahrung zeigt sich, dass immer mehr Patientinnen ganzheitlich mit sich und ihrem äußeren Erscheinungsbild unzufrieden sind. Aus ästhetischer Sicht ist dabei in vielen Fällen allerdings kein Handlungsbedarf erkennbar. Dieser Wunsch nach totaler Veränderung ist äußerst bedenklich.

Medizinerin Simone May

Unsere Kultur der perfektionierten Bilder kann zu einer Körperbildstörung führen, bei der Betroffene ihren Körper als hässlich empfinden und glauben, dass andere sie genauso sehen. Dies kann zu psychischen und psychosomatischen Krankheiten wie Depressionen und Essstörungen führen. Das Phänomen der „Selfie-Dysmorphie“ betrifft insbesondere junge Frauen der Generation Z. Plastische Chirurg*innen berichten von Patient*innen, die Eingriffe für verbesserte Selfies und Fotos wünschen. Es handelt sich um eine ernsthafte Erkrankung, die diagnostiziert und behandelt werden muss. Die Auswirkungen von Instagram- und Snapchat-Filtern auf Dysmorphie sind noch nicht endgültig geklärt, aber Studien deuten auf mögliche Zusammenhänge hin. Es ist jedoch sicher, dass Social Media und übermäßige Selfie-Aktivitäten Störungen verursachen und verstärken können.

Beauty-Filter verleiten zu Schönheitseingriffen

Eine repräsentative Befragung von deutschen Jugendlichen im Jahr 2019 ergab, dass etwa die Hälfte der Mädchen zumindest gelegentlich Filter-Software verwendet, um dem vermeintlich perfekten virtuellen Ideal zu entsprechen. Dies führt dazu, dass sie mehr Sport treiben oder Diäten beginnen. Eine US-amerikanische Studie mit Patient*innen, die Schönheitsoperationen im Gesicht hatten, zeigt, dass Filter und ähnliches den Wunsch nach solchen Operationen verstärken können.

Nicht nur Likes, sondern auch der Content von Influencer*innen hat Auswirkungen auf das Selbstbild von Frauen. Fast die Hälfte der Befragten zwischen 16 und 39 Jahren fühlt sich von diesem Content unter Druck gesetzt.

Bild 3: Frau mit Selbstzweifel

28 Prozent von ihnen geben an, dass sie dadurch sogar zu Schönheitseingriffen verleitet werden. Laut Umfrage gehören Fettabsaugungen, Nasenkorrekturen und Brustvergrößerungen zu den beliebtesten Eingriffen bei Frauen zwischen 16 und 39 Jahren. Es gibt eine zunehmende Verbindung zwischen Körpertrends auf Instagram und Essstörungen.

Beauty-Filter verändern unsere Gesellschaft

Wer sich in sozialen Medien ohne Filter zeigt und somit nicht dem stereotypischen Schönheitsideal entspricht, kann heutzutage mit beleidigenden Kommentaren rechnen. Auf TikTok wurden Menschen mit abweichendem Aussehen systematisch diskriminiert. Interne Dokumente zeigen, dass das Unternehmen Anweisungen gab, Videos von Menschen mit Behinderungen, von übergewichtigen und von armen Menschen zu verbergen. Merkmale wie ein offensichtlicher Bierbauch, zu viele Falten, abnormale Körperformen oder Pummeligkeit führten zu einer eingeschränkten Reichweite der Videos. Dadurch wird uns ein einheitliches, normiertes Schönheitsbild aufgezwungen, das demokratischen Idealen von Vielfalt und Toleranz widerspricht.

Bist du auch betroffen?

Falls du das Gefühl haben solltest, auch betroffen zu sein, dann findest du hier professionelle Hilfe.

Empfehlung zum Umgang mit Beauty-Filtern

Bewusster Einsatz von Filtern

Nimm dir bewusst Zeit, um über den Einsatz von Filtern nachzudenken. Das betrifft sowohl die Bilder anderer Personen als auch deine eigenen Selfies.

Erkenne deine Schönheit

Betrachte Filter nicht als notwendig. Immer mehr Menschen präsentieren sich bewusst ungeschminkt und ungefiltert auch in den sozialen Medien.

Humorvoller Umgang mit Filtern

Nutze Filter auch auf unterhaltsame Weise. Spaßfilter können dazu beitragen, einen kreativen und humorvollen Umgang mit dem eigenen Aussehen zu fördern.

Nutzung von sozialen Medien reduzieren

Wenn du feststellst, dass dich die Bilder in den sozialen Netzwerken unter Druck setzen, reduziere bewusst deine Nutzung dieser Plattformen. Es kann auch hilfreich sein, die „Gefällt mir“-Angaben – wo möglich – auszuschalten.

Gegenbewegungen

Jeder Trend hat zum Glück auch seine Gegenbewegungen. Eine wachsende Anzahl von „Curvy Models“ zeigt, dass Frauen mit Kurven genauso schön sein können wie durchtrainierte und schlanke Frauen. Ein Beispiel dafür ist Angelina Kirsch.

Auch Hashtags wie #fürmehrrealitätaufinstagram verdeutlichen, dass wahre Schönheit Normalität ist und keine Inszenierung erfordert. Nathalie Stommel demonstriert zum Beispiel, dass man auch ohne perfekte Pose schön sein kann.

Die Australierin Celeste Barber zum Beispiel ahmt perfekt inszenierte Fotos von Prominenten und Models nach und verspottet mit scharfem Humor die perfekte Scheinwelt, den Schlankheitswahn und den Fitnesskult in den sozialen Medien.

Ein neuer Trend auf TikTok besteht darin, sich zu den Lyrics „The songs on the radio are okay / But my taste in music is your face“ aus dem Song „Tear in My Heart“ von Twenty One Pilots zuerst mit starkem Smokey Eyes und intensiven Filtern zu präsentieren, um dann plötzlich ganz natürlich und ohne Filter zu erscheinen.

Hamburg reagiert ebenfalls auf dieses Thema und setzt sich für eine Kennzeichnungspflicht bearbeiteter Bilder in den sozialen Medien ein.

Tipps zum Thema Schönheitsideale

Statt dich darauf zu konzentrieren, anderen zu gefallen, solltest du darüber nachdenken, was du selbst als schön empfindest und wo du dich wohlfühlst.

Es ist am besten, nicht darüber nachzudenken, was an dir schöner sein könnte, sondern stattdessen die Frage zu stellen: Was gefällt dir besonders gut an dir? Worauf bist du vielleicht sogar stolz?

Sei dir bewusst, dass nahezu alle Bilder, die du in den sozialen Medien siehst, stark bearbeitet und retuschiert sind. Kein Mensch ist perfekt – und das ist auch gut so!

Lass dich also nicht von (unrealistischen) Fotos in deinem Feed unter Druck setzen.

Schönheit wird von jedem individuell wahrgenommen. Es ist rein subjektiv, was als schön empfunden wird und was nicht.

Schönheit umfasst nicht nur das Äußere, sondern auch das Wesen und die Ausstrahlung einer Person. Diese Faktoren haben einen großen Einfluss darauf, ob jemand als schön oder attraktiv empfunden wird.

Die Betonung von Natürlichkeit und Humor stellt eine Gegenbewegung zu dem überwältigenden Perfektionsdruck dar, den man online wahrnimmt. Es ist empfehlenswert, sich einige Profile anzuschauen, die sich über aktuelle Schönheitstrends lustig machen und verdeutlichen, dass es auf die Persönlichkeit einer Person ankommt und nicht nur auf ihr Äußeres.